»Militante Heimwerker, sägende Gummizellen und
andere Freizeitanarchos aus der Ökoszene kämpfen mit
Molotow-Cocktails und Sprengsätzen gegen den Atomstaat. Ihr Motto:
Schweine ins Weltall. Ihr Operationsgebiet: Wackersdorf ist überall.
Ihr Programm: Alle Tage Sabo-Tage. Jeder Tag ein Anschlag ist längst
zu wenig. Statt aneinander vorbeizureden wird aneinander
vorbeigebombt. Fleißig mit dabei ist Tommy Z.«
So verrät es uns der Klappentext. Tommy Z. ist
übrigens auch als Autor angegeben, nicht Thomas Ziegler. So ganz
will sich mir der Sinn nicht erschließen. Passte Tommy Z. besser zu
der abgedrehten Geschichte, als es der bekannte Name Thomas Ziegler
getan hätte? Zumal der spinnerte und sympathisch rüberkommende
Protagonist Tommy Z. heißt. Seine wahre Identität verbergen wollte
Ziegler jedenfalls nicht, sie wird allzu deutlich in der
Autorenbeschreibung hervorgehoben.
Von einem Roman zu sprechen, weigere ich mich
übrigens. So etwas bezeichnet man wohl als Novelle. Denn so sperrig
der Titel, so dünn das Büchlein. Das schmalbrüstige
Goldmann-Bändchen bringt es auf kaum mehr als 100 Seiten. Das ist
schon ziemlich anarchistisch, ebenso wie die Titelbildgestaltung, die
jeder Beschreibung spottet: eine handgekritzelte Schreibmaschine mit
bunten Farben. Ich vermute, damit wollte der Verlag Titel und Thema
gerecht werden. Das hätte man sicher auch anders lösen können,
zumindest weniger abschreckend. In der Buchhandlung wäre mir das
Ding damals jedenfalls nicht aufgefallen. Ist es offensichtlich ja
auch nicht.
Ich habe lange nach dem Büchlein gesucht. Es war
einfach nicht zu bekommen. Als ich vor vielen Jahren einmal im
Arbeitszimmer von Rainer Zubeil alias Thomas Ziegler alias Tommy Z.
saß, kamen Rainer und ich auch auf dieses Thema zu sprechen. Er
konnte mir damals kein Exemplar vermachen, weil er selbst nur ein
einziges besaß. Ein alter Fandom-Bekannter aus dem Saarland hat es
mir kürzlich freundlicherweise zukommen lassen. Auf diesem Weg noch
einmal »Vielen Dank!«, lieber Ralf.
Nach dem Tschernobyl-Freitag ist alles anders,
auch in der Kölner Südstadt. Tommy Z., der zum ersten Mal in seinem
Leben eine Wohnung gemietet hat, hat wie viele andere den Kopf voller
anarchistischer Gedanken. Gestalt annehmen lässt er sie jedoch
nicht, denn eigentlich hat er ganz andere, wesentlich existenziellere
Dinge im Kopf, nämlich seine Cognac-Flasche, das religiös bedingte
Schwarzfahren mit der KVB und wie er das nächste vom Arbeitsamt aufs
Auge gedrückte Jobangebot abbiegen kann. Ganz besonders aber seinen
mystischen Sack voll Geld.
So durchgeknallt wie die anderen ist Tommy Z.
längst nicht. Er macht nur widerstrebend mit bei den Aktionen des
Commando Carlo Chaos. Das setzt sich zusammen aus seiner
durchgeknallten, amphetaminsüchtigen Freundin Linda, dem abstinenten
Alkoholiker »Haste mal 'nen Heiermann?«-Apo-Shorty, der von
Visionen heimgesucht wird und am liebsten alles und jeden in die Luft
bomben möchte, Cora, deren Hund grinsen und telefonieren kann, und
ein paar weiteren skurrilen Gestalten, wie man sie aus Zieglers
Oeuvre kennt. Gemeinsam mit ihnen geht Tommy Z. Baumaschinen eines
Wackersdorf-Lieferanten in die Luft jagen, Strommasten absägen und
Horden von Beagles aus Otties Tier-KZ befreien. Auch Papst Jupp von
der Aktion Karneval am Strommast, Sweet Sixteen von den
Revolutionären Gartenzwergen und Professor Gurke von der
Sägenden Zelle Herne Zwo sind dabei.
»In rasender Eile knacken wir die Zwinger mit der
Beißzange, und die Beagles geraten vollends außer Rand und Band.
Überall schlackernde lange Ohren, treue braune Hundeaugen, hin- und
herdüsende Geschosse auf vier Beinen. … Sie kläffen und jaulen,
springen auf uns herum, lecken uns ab und treiben sonstigen Unfug,
der meiner Hundeliebe nicht gerade dienlich ist.«
Ziegler zieht alle Register, um den Staat und die
Politmafia als ebensolche darzustellen und die bombenden und sägenden
Anarchos als Bande gutmeinender Deppen zu karikieren. Natürlich wird
kräftig gegen die damalige Polit-Prominenz ausgeteilt, gegen Kanzler
Kohl aus dem Gemüsefeld, gegen Waldschrat Kiechle, gegen Zimmermann,
Riesenhuber, Blüm und Bangemann, gegen den Minister für
Innerdeutsches und Außersinnliches Windelen und den begnadeten
Rückentwicklungsminister Warnke. Auch gleich gegen das gesamte
Justizministerium, das nach der Tschernobyl-Katastrophe einen
Gesetzesentwurf gegen die illegale Einreise sowjetischer Atome plant.
Das Commando Carlo Chaos, die Revolutionären Gartenzwerge
und all die anderen Freizeit-Anarcho-Fuzzies kommen kein Deut besser
weg. Das ist – wenngleich es in Teilen längst den damals aktuellen
Bezug verloren hat – vollkommen überdreht, mal komisch, zuweilen
grotesk und gelegentlich zu dick aufgetragen – sofern man das von
einer Polit-Satire wie dieser sagen kann, aber stets im passenden,
treffenden Tonfall gehalten. Ziegler war eben ein Meister des Wortes,
egal in welchem Genre er sich gerade tummelte.
Das wird besonders auf den letzten fünf Seiten
deutlich, als es einen drastischen sprachlichen Bruch in der
Erzählweise gibt. Aus der Kapriolen schlagenden Satire wird
unerwartet eine Tragödie, die das amüsierte Grinsen aus dem Gesicht
vertreibt und Betroffenheit bewirkt, wo man längst mit einem
blödelnden Abschluss gerechnet hatte. Genau hier, ganz am Schluss,
in dieser kurzen Passage, hat die Geschichte ihre stärksten, ihre eindringlichsten Momente
und zeigt statt des flapsigen Sarkasten Tommy Z. den stilsicheren
Literaten Thomas Ziegler.
Sehr sympathisch war mir persönlich beim Lesen
natürlich das räumliche Umfeld mit Orten, die in der Handlung
explizit genannt werden: Die Südstadt, in der Tommy Z. in der
Geschichte vorzugsweise unterwegs ist, trage ja auch ich im Herzen.
Der Chlodwigplatz ist für mich einer der zentralen und die Stadt
definierenden Orte Köln. Mit dem Severinstor verbinden mich tausend
Erinnerungen, Gefühle und Anekdoten. In der Opera habe ich während
meiner Oberstufenzeit mehr als nur einen Abend verbracht. Und im
Filos habe ich gelegentlich mit Rainer Zubeil alias Thomas Ziegler
alias Tommy Z. gesessen. Kein Wunder, dass Rainer all diese Orte in
die Geschichte hat einfließen lassen, schließlich lebte er bis zu
seinem Tod in der Südstadt, und er lebte gerne dort.
Aktuell ist das abgedrehte Literaturstückchen
übrigens als E-Book bei Amazon erhältlich, wie ich mir habe sagen
lassen. Anarchistisches Vergnügen mit Tommy Z. und den wahnsinnigen
Sägemeistern aus der Kölner Südstadt!
Goldmann Verlag, München, 1987
Taschenbuch, ca. 110 Seiten
DM 7,80
ISBN 3-442-21008-9
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