Dieser Abend nun stand zwar ebenfalls im Zeichen
kölscher Tradition, hatte aber nichts mit Fußball zu tun, sondern
mit einem, wenn nicht dem bekanntesten Kölner Krätzchensänger.
Gemeint ist natürlich der 1876 geborene Komponist und Liederdichter
Willi Ostermann, der der Nachwelt eine Vielzahl von Krätzchen hinterlassen hat. Für
Nichtkölner: Krätzchen sind in kölscher Mundart gesungene Heimat- und
Karnevalslieder, mal humorig, mal bissig, mal nachdenklich,
bemerkenswerten Gegebenheiten verpflichtet, Alltagsbeobachtungen und
den Menschen in den Veedeln.
Peter Schmitz-Hellwings Band setzt sich zusammen
aus dem (klassischen) Bassisten Gerd Brenner, dem Keyboarder Andreas
Orwat und dem Schlagzeuger Udo Kempen. Der kleine Saal war mit rund
fünfzig Leuten ausverkauft, und ich dürfte so ziemlich der jüngste
im Publikum gewesen sein. Dieses war, zumindest bei den Refrains, recht textsicher, und es entwickelte sich von Beginn an eine Art
„Loss mer singe“-Konzert mit dem Augenmerk auf Willi Ostermann.
Es ging los mit Däm Schmitz sing Frau ess
durchgebrannt (aus dem Jahrt 1907) und Am dude Jüd
(1906). Ich stellte schnell fest, dass ich die meisten der alten
Lieder kenne, fast alle sogar. Später folgten unter anderem De Wienanz han 'nen
Has em Pott sowie Kutt erop! Kutt erop! Kutt erop! und
Jetz hät dat Schmitze Billa, allesamt um die hundert Jahre
alte Klassiker, die in Köln längst als Evergreen-Charakter haben. Für mich
sind es Lieder mit Herz und Seele, für Herz und Gemüt, und weit
entfernt von dem leider heute im Karneval weit verbreiteten Gegröhle,
das weder mit Mundart noch kölscher Tradition zu tun hat.
Zwischendurch streute Peter Schmitz-Hellwing immer
wieder Hintergrundinformationen und Anekdötchen über Willi
Ostermann ein, über alte Kölsche Musik und Namen der Zwanziger und
Dreißiger Jahre des vergangenen Jahrhunderts und über Hintergründe
der Entstehung der einzelnen Lieder. So erfuhr ich, dass Willi Ostermann
keine Noten lesen konnte und doch als so etwas wie der Erfinder der
Kölner Karnevalsmusik gilt. Denn er war der erste, der nicht auf
überlieferte Klänge zurückgriff, sondern neben seinen Texten auch
eigene Melodien komponierte. Auch thematisierte Peter
Schmitz-Hellwing im Kontext der Musik historische Gegebenheiten wie
die Einflussnahme der NSDAP auf den Rosenmontag(szug) in den späten
Dreißiger Jahren und den Wiederaufbau des Gürzenichs, der guten
Kölner Stube, in den Fünfzigern.
Auf der Zielgeraden und als Höhepunkt ging es
dann Schlag auf Schlag, und nicht allein nur von Willi Ostermann. Bei
seinem Och wat wor dat fröher schön doch en Colonia wurde
mir warm ums Herz, bei Karl Berbuers Trizonesien-Song, gleich
nach Ende des zweiten Weltkriegs eine Ersatzbundeshymne, erwischte ich
mich beim Mitklatschen, und bei Ludwig Sebus' großartigem Luur ens vun Düx noh
Kölle geriet ich ins Schwelgen.
Unter großem Applaus gab es dann natürlich Heimweh noh Kölle,
auch bekannt als Ich möch zo Foß noh Kölle jon. Dieses
Lied, bis heute die inoffizielle Kölner Stadthymne, schrieb Willi
Ostermann 1936 im Krankenhaus auf dem Sterbebett, und allein damit hat er sich in Köln unsterblich gemacht. Nach einem „Dreimol Kölle
Alaaf!“ folgte als Zugabe Drink doch eine met von den Bläck Fööss,
ebenfalls längst ein Klassiker.
Es ist wunderbar, und ich finde es wichtig, dass
die alten Stücke nicht vergessen sind. Mehr noch, dass es heute
Künstler gibt, die sie noch und wieder spielen, denn diese kleinen
Schätze dürfen nicht in Vergessenheit geraten. Peter
Schmitz-Hellwing und Band habe ich jedenfalls nicht zum letzten Mal
gesehen.
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