Montag, 25. April 2016

Peter Schmitz-Hellwing hat Heimweh noh Kölle

Schon vorletzte Woche begab sich Peter Schmitz-Hellwing mit seiner Band im Hennefer Wirtshaus auf eine musikalische Zeitreise, die ich mir nicht entgehen lassen wollte. Dass ich erst jetzt dazu komme, etwas über das sehr schöne Konzert zu schreiben, tut dem Vergnügen an jenem Abend keinen Abbruch. Das gemütliche Wirtshaus kam mir bekannt vor, und dann erinnerte ich mich. Dort war ich vor Jahren schon einmal gewesen, als Fortuna Köln noch in einer Liga mit Hennef spielte. Nach dem Auswärtsspiel sind wir damals mit der ganzen Fortuna-Bande dort eingekehrt.

Dieser Abend nun stand zwar ebenfalls im Zeichen kölscher Tradition, hatte aber nichts mit Fußball zu tun, sondern mit einem, wenn nicht dem bekanntesten Kölner Krätzchensänger. Gemeint ist natürlich der 1876 geborene Komponist und Liederdichter Willi Ostermann, der der Nachwelt eine Vielzahl von Krätzchen hinterlassen hat. Für Nichtkölner: Krätzchen sind in kölscher Mundart gesungene Heimat- und Karnevalslieder, mal humorig, mal bissig, mal nachdenklich, bemerkenswerten Gegebenheiten verpflichtet, Alltagsbeobachtungen und den Menschen in den Veedeln.

Peter Schmitz-Hellwings Band setzt sich zusammen aus dem (klassischen) Bassisten Gerd Brenner, dem Keyboarder Andreas Orwat und dem Schlagzeuger Udo Kempen. Der kleine Saal war mit rund fünfzig Leuten ausverkauft, und ich dürfte so ziemlich der jüngste im Publikum gewesen sein. Dieses war, zumindest bei den Refrains, recht textsicher, und es entwickelte sich von Beginn an eine Art „Loss mer singe“-Konzert mit dem Augenmerk auf Willi Ostermann.

Es ging los mit Däm Schmitz sing Frau ess durchgebrannt (aus dem Jahrt 1907) und Am dude Jüd (1906). Ich stellte schnell fest, dass ich die meisten der alten Lieder kenne, fast alle sogar. Später folgten unter anderem De Wienanz han 'nen Has em Pott sowie Kutt erop! Kutt erop! Kutt erop! und Jetz hät dat Schmitze Billa, allesamt um die hundert Jahre alte Klassiker, die in Köln längst als Evergreen-Charakter haben. Für mich sind es Lieder mit Herz und Seele, für Herz und Gemüt, und weit entfernt von dem leider heute im Karneval weit verbreiteten Gegröhle, das weder mit Mundart noch kölscher Tradition zu tun hat.

Zwischendurch streute Peter Schmitz-Hellwing immer wieder Hintergrundinformationen und Anekdötchen über Willi Ostermann ein, über alte Kölsche Musik und Namen der Zwanziger und Dreißiger Jahre des vergangenen Jahrhunderts und über Hintergründe der Entstehung der einzelnen Lieder. So erfuhr ich, dass Willi Ostermann keine Noten lesen konnte und doch als so etwas wie der Erfinder der Kölner Karnevalsmusik gilt. Denn er war der erste, der nicht auf überlieferte Klänge zurückgriff, sondern neben seinen Texten auch eigene Melodien komponierte. Auch thematisierte Peter Schmitz-Hellwing im Kontext der Musik historische Gegebenheiten wie die Einflussnahme der NSDAP auf den Rosenmontag(szug) in den späten Dreißiger Jahren und den Wiederaufbau des Gürzenichs, der guten Kölner Stube, in den Fünfzigern.

Auf der Zielgeraden und als Höhepunkt ging es dann Schlag auf Schlag, und nicht allein nur von Willi Ostermann. Bei seinem Och wat wor dat fröher schön doch en Colonia wurde mir warm ums Herz, bei Karl Berbuers Trizonesien-Song, gleich nach Ende des zweiten Weltkriegs eine Ersatzbundeshymne, erwischte ich mich beim Mitklatschen, und bei Ludwig Sebus' großartigem Luur ens vun Düx noh Kölle geriet ich ins Schwelgen.

Unter großem Applaus gab es dann natürlich Heimweh noh Kölle, auch bekannt als Ich möch zo Foß noh Kölle jon. Dieses Lied, bis heute die inoffizielle Kölner Stadthymne, schrieb Willi Ostermann 1936 im Krankenhaus auf dem Sterbebett, und allein damit hat er sich in Köln unsterblich gemacht. Nach einem „Dreimol Kölle Alaaf!“ folgte als Zugabe Drink doch eine met von den Bläck Fööss, ebenfalls längst ein Klassiker.

Es ist wunderbar, und ich finde es wichtig, dass die alten Stücke nicht vergessen sind. Mehr noch, dass es heute Künstler gibt, die sie noch und wieder spielen, denn diese kleinen Schätze dürfen nicht in Vergessenheit geraten. Peter Schmitz-Hellwing und Band habe ich jedenfalls nicht zum letzten Mal gesehen.

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