Noch einmal Hansrudi Wäscher. Anlässlich
Wäschers Tod beleuchtet Achim Schnurrer das Werk des
Comic-Vorreiters, die von HRW entworfenen ersten popkulturellen
Ikonen, als es diesen Begriff noch gar nicht gab, und den Weg zu
einer neuen, einer eigenständigen Jugendkultur. Schnurrer skizziert
Wäscher als künstlerischen Avantgardisten, schlägt den Bogen vom
neuen Selbstverständnis der frühen Jugendkulturen, in dem Wäschers
Helden hierzulande gar eine Speerspitze darstellten, hin zu
popkulturellen Massenbewegungen und attestiert Wäschers Comics eine
humanistische und aufklärerische Grundhaltung. Ein fesselnder
Artikel, weit mehr als ein bloßer Nachruf, und für mich das
Highlight der vorliegenden Ausgabe des vierteljährlich erscheinenden
Magazins.
Sonja Stöhr geht dem Begriff Utopie auf den Grund
und stellt die Frage, was im Zeitalter der heute allgegenwärtigen
Dystopien von der Idee positiver Zukunftsutopien aus Thomas Morus'
Erzählung „Utopia“ von 1516 übrig geblieben ist. Dazu äußern
sich SF-Schaffende wie Heyne-Lektor und Herausgeber Sascha Mamczak,
die walisisch-kanadische Autorin Jo Walton, der amerikanische Autor
Kim Stanley Robinson und andere.
Dirk Berger interviewt den SF-Schriftsteller
Gregory Benford. Benfords Name steht für fundierte Beschreibungen
wissenschaftlicher Methoden und deren Auswirkungen auf Forscher,
erfahre ich da. Womit der Autor nur bedingt etwas für mich sein
dürfte. Auch wenn die Wissenschaft für viele untrennbar mit der SF
verbunden ist, war ich doch immer mehr ein Anhänger der New Wave der
Sechziger Jahre.
Weitaus mehr sprechen mich da die Bücher an, die
Armin Möhle in „Vergessene Welten“ bespricht. Es handelt sich um
Alternativweltromane, um Werke also, in denen ab einem bestimmten
historischen Punkt ein alternativer Geschichtsverlauf eingeschlagen
wird. Klassisches Beispiel ist für mich Philip K. Dicks „Das
Orakel vom Berge“, in dem die Achsenmächte den zweiten Weltkrieg
gewonnen haben, sowie auch Thomas Zieglers „Die Stimmen der Nacht“,
einem düsteren Werk, das ein Deutschland schildert, in dem der
Morgenthau-Plan verwirklicht wurde. Die Alternativweltromane von
Harrison, Chandler, Silverberg, Amis, Aldiss und Stableford, die
Armin Möhle vorstellt, klingen spannend, auch im historischen
Kontext. Zumindest das eine oder andere davon sollte und werde ich
mir zulegen.
Christian Endes interviewt den italienischen
Zeichner und Zombiefanatiker Elia Bonetti, Achim Schnurrer
porträtiert das Multitalent Holger Much, mit dessen grafischen
Werken, ich gebe es zu, ich nicht viel anfangen kann, und Jan Niklas
Meier sucht in George R.R. Martins Epos „A Song of Ice and Fire“
die realen Spuren des europäischen Mittelalters. Fand ich
interessant, nicht nur als Gucker von „Game of Thrones“. Carsten
Kuhr interviewt Daniel Suarez, der als Spezialist für
Zukunftsthriller gilt und der packende Action mit aktuellen Problemen
und der Warnung vor gewissen Entwicklungen verbindet. Bernd Jooß
befasst sich mit der „Southern Reach“-Trilogie von Jeff
VanderMeer, von dem auch eine sehr interessant aufgebaute und mich
nachdenklich zurücklassende Kurzgeschichte im Heft enthalten ist.
Schließlich gibt es einen Blick auf neue
südafrikanische Literatur und da besonders auf Lauren Beukes'
„Moxyland“. Sonja Stöhr präsentiert „Phantastisches
Lesefutter für junge Leser“, und Horst Illmer, der zudem
Nachrichten vermeldet und Neuerscheinungen vorstellt, erinnert an den
vor zwei Jahren verstorbenen Mythopoeten Patrick Woodroffe. Dessen
phantastischer Realismus fiel mir tatsächlich schon auf, als ich
begann, mich für SF und Phantastik zu begeistern, und nicht nur auf
Titelbildern von Heyne, sondern auch auf verschiedenen LP-Covers.
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