Freitag, 9. Juli 2010

Öffentliches Gucken

Nun, da bei der diesjährigen Fußballweltmeisterschaft nur noch zwei Spiele vor uns liegen, ist es an der Zeit, ein paar Worte über das Phänomen zu verlieren, das mir bei der WM vor vier Jahren zum ersten Mal aufgefallen ist. Falls es vorher schon vorhanden war, hat es jedenfalls 2006 neue Dimensionen angenommen.
Nicht nur in Köln, sondern quer durch die Republik wurden zu den WM-Spielen der deutschen Mannschaft Fanmeilen und Public Viewing-Bereiche eingerichtet. Mal abgesehen davon, daß ich immer noch in Kilometern rechne und nicht in Meilen, ist mir Public Viewing ein Graus. Das trifft auf den Begriff ebenso zu wie auf die organisierte Massenveranstaltung, die hinter ihm steckt.
Ich schrieb bereits an anderer Stelle, daß auch ich Fußball nicht gern allein anschaue, sondern gemeinsam mit ein paar Freunden und Bekannten bei dem einen oder anderen Bier. Das ist aber etwas anderes, als in einer anonymen Massenveranstaltung zu stehen und mich mit Leuten zu verbrüdern, mit denen ich sonst nicht das geringste zu tun habe.
Und unter denen sind soundsoviele, die ansonsten wiederum mit Fußball nichts zu tun haben. Sie waren noch nie in einem Stadion und kennen zum Teil nicht einmal die Regeln. Hören sie gelegentlich, daß man sich in einem kleinen Stadion ein Oberligaspiel ansieht, schütteln sie verständnislos den Kopf und fragen einen, wie man "für sowas" seine Zeit verschwenden kann.
Manche zeigen ihr Interesse erst, wenn sie mitbekommen, daß eine Mannschaft - wie in diesem Fall die deutsche Nationalmannschaft - auf einer Erfolgswelle schwimmt. Dann lassen sie sich plötzlich und gerne von der Euphorie anstecken und schließen sich den Feierlichkeiten an, wobei es ihnen im Grunde völlig egal ist, ob es nun eine erfolgreiche deutsche Fußballmannschaft ist, mit der sie jubeln, oder eine Lena Meyer-Landrut, die in einem unsäglich schlechten musikalischen Trällerwettbewerb gewinnt. Hauptsache ist, man kann die deutsche Fahne schwenken und in einen kollektiven Glückstaumel eintauchen.
Ist die Fußball-WM vorbei oder Deutschland gar ausgeschieden, erlischt das Interesse am Fußball so schnell, wie es aufgeblüht ist. Von mir aus sollen diese Leute feiern, soviel sie wollen, das ist schließlich jedermanns gutes Recht. Aber sie mögen sich dann bitte nicht für eine kurze Weile als Fußballfans bezeichnen.
Denn Fußballfans halten mit Herzblut auch dann zu ihrem Verein, wenn es schlecht läuft und Spiele in Serie verloren geht. Fußballfans sind Fußballfans - und das unterscheidet sie von sogenannten Eventies und Erfolgsfans.
Und eins noch dazu: Den gräuslichen Ausdruck Schland kann ich überhaupt nicht mehr hören.

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