Sonntag, 30. November 2014

Eine Engelsprüfung in Knollendorf

Das arme Engelchen Jupp ist deprimiert, denn es fühlt sich vernachlässigt. Es ist bereits seit 111 Jahren im Himmel, hat aber immer noch keine Flügel und kommt sich daher wie ein Engel zweiter Klasse vor. Dazu bestehe aber kein Grund, denn schließlich seien 111 Jahre doch ein vernachlässigbarer Zeitraum, wie ihm der Nikolaus eröffnet. Das arme Jüppchen indes kann das nicht trösten. Um seine Flügel zu erhalten, bekommt es eine Chance. Es muß sie sich bei einer Engelspröfung verdienen. So wird Jupp auf die Erde geschickt, um als Schutzengel über den Tünnes zu wachen, der bekanntlich ein ausgemachter Tollpatsch sein kann. Was er dann später auch beweist, als er ein Warnschild in einen (nicht mehr ganz) zugefrorenen See zu rammen versucht und auf Hilfe angewiesen ist.

Es weihnachtet wieder im Hänneschen-Theater, und wie alle Jahre wieder gibt es ein neues Stück des traditionsreichen Kölner Puppenspieltheaters. "De Engelspröfung" ist traditionell in kölscher Sproch gehalten, in kölnischer Mundart also. Knollendorf und seine lustigen Einwohner freuen sich auf Nikolaus und das Fest. Natürlich sind wieder alle beliebten Stockpuppen der bunten Schar dabei. Die Kinder Hänneschen und Bärbelchen, mein Lieblingsduo Tünnes und Schäl, Maria "Bestemo" Sybilla und Nikela "Besteva" Knoll sowie der Speimanes.

Inspiriert durch den Jagdschloßbesitzer Graf zu Hohenknoll, versteift sich Schäl auf die Idee, einen Keiler zu erlegen. Eigentlich verkauft er Weihnachtsbäume, doch das genügt ihm nicht. Er strebt nach Höherem, obwohl er für die Jagd denkbar ungeeignet ist. Das hindert ihn jedoch nicht daran, mit einer Flinte in den winterlichen Wald zu ziehen. Das Wildschwein bekommt er nicht, sein Vorhaben geht - wie eigentlich immer - gründlich in die Hose. Stattdessen geht der Keiler in die Offensive und auf den armen Tünnes los.

Gleich zweimal hat Engelchen Jupp Gelegenheit, seinen Schutzbefohlenen zu retten. Vor dem Ertrinken im eisigen See und vor dem rasenden Keiler. Daß Hänneschen und Bärbelchen ihren Teil zu der Rettung beitragen, versteht sich von selbst. Schließlich richtet sich die Vorstellung vor allem an Kinder, wenngleich diese im Publikum deutlich in der Unterzahl sind.

Bei den fünf Aufzügen gibt es vier verschiedene Bühnenbilder. Nämlich Knollendorf, den Wald mit dem See, das Jagdschloß des Grafen und anfangs den Himmel, aus dem der Nikolaus Engel Jupp mit seinem Schlitten zur Erde befördert. Die Bilder sind gewohnt schön, mit viel Liebe zum Detail gehalten und mit stets stimmiger Beleuchtung, beispielsweise im düsteren Wald.

Insgesamt hat mir das Stück viel besser gefallen als voriges Jahr. Diesmal kommt es wieder locker und beschwingt rüber, mit pfiffigen Dialogen und netten Gags, die gern auch mal Tagesereignisse der jüngeren Vergangenheit aufgreifen. Beispielsweise wenn eins der Kinder augenzwinkernd sagt: "Ich möchte später Lokomotivführer werden. Dann habe ich immer viel Freizeit." Oder wenn teilweise abstruser Internet-Eskapismus auf die Schippe genommen wird. So wird hier die Glühwein-Challenge ausgerufen, bei der sich der Nominierte einen Eimer lauwarmen Glühwein über den Kopf schütten muß. So wünsche ich mir das Hänneschen auch für die kommenden Jahre.

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