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Mittwoch, 10. Oktober 2018

Vierzig Jahre Sultans of Swing

Mitte der Siebziger Jahre hörte ich die Bands, die in den damaligen Radiocharts liefen und im Fernsehen in Ilja Richters Disco auftraten, also beispielsweise Smokie, Mud, Kenny, Suzie Quatro, Status Quo. Das war der Kram, der auch auf den damaligen Schulfeten und bei den Geburtstagen von Klassenkameraden lief. Darüber hinaus war ich aber, in der zweiten Hälfte der Siebziger, vor allem Hardrock und ein bisschen Punk zugetan. An Deep Purple, Golden Earring, Uriah Heep und Black Sabbath, aber auch an den Sex Pistols kam man einfach nicht vorbei. (Iron Maiden, Saxon, Judas Priest, Motörhead und AC/DC standen bei mir erst ab 1979 in den Startlöchern.)

Schon vor Letztgenannten kam ein Tag, es muss 1978 gewesen sein, als aus dem Radio völlig unbekannte Töne an mein Ohr drangen. Ich erinnere mich, dass mich schon das Intro des Lieds gefangen nahm. Das Stück haute mich um, und ich bekam es nicht mehr aus dem Kopf. Es hieß Sultans of Swing und stammte von einer mir bis dato völlig unbekannten Band namens Dire Straits. Eine solche Musik hatte ich noch nie gehört, sie ließ sich in keine Kategorie einordnen und berührte mich mehr als alles andere. Sie kreierten einen eigenen Sound, der meine Hörwahrnehmung veränderte - was mir damals freilich noch nicht bewusst war. Hinzu kam Mark Knopflers unglaubliches Gitarrenspiel, das später in meinem Kopf unverwechselbar wurde. Wann immer ich das Stück danach hörte, konnte ich nicht sitzen bleiben. Es trieb mich geradezu auf die Beine.

Das erste Album der Dire Straits war der Auftakt zu einem beispielhaften Triumphzug der Londoner Band. Als ihnen 1980 mit ihrem dritten Album Making Movies der endgültige Durchbruch gelang, nahmen sie in meinem persönlichen Musikuniversum längst einen hohen Rang ein, der in den folgenden Jahrzehnten, auch nach der Auflösung der Band, nicht enden sollte. Live sah ich sie erst 1985 in der Kölner Sporthalle, die es längst nicht mehr gibt, und ein zweites Mal 1992 im ausverkauften Müngersdorfer Stadion. Ein ganz großes und unvergessliches Konzerterlebnis!

Das Album Dire Straits erschien am 10. Oktober 1978, also heute vor vierzig Jahren. Die Band gehört immer noch zu meinen Lieblingsbands und Sultans of Swing vom Debutalbum unverändert zu meinen All Time Favourites. Wenn ich es mal wieder höre, unterbreche ich das, was ich gerade tue, weil ich mich dann einfach auf nichts anderes konzentrieren kann. Daran haben die vier Dekaden seit Erscheinen nichts geändert. Mein Anspieltipp neben dem Originalalbum ist - aber bitte Lautstärkeregler nach oben, die Augen schließen und genießen. Unerreicht! - die Version auf dem Livealbum Alchemy, dem für mich trotz Made in Japan und Live Rust, trotz Rainbow on Stage und No Sleep 'til Hammersmith besten Livealbum der Rockmusikgeschichte.

Sonntag, 22. Juli 2018

Hartmut Priess verlässt die Bläck Fööss

Hartmut Priess und ich im Kölner Südstadion.
Sie sind die Mutter aller kölschen Bands, die Stadtchronisten und die Stimme Kölns. 1970 gegründet, sind sie längst eine Institution, lebende Legenden und bis heute nicht aus dem Karneval und dem kölschen Mundartgesang wegzudenken – und dazu, neben BAP, eine meiner beiden Kölner Lieblingsbands. Von wem anders als den Bläck Fööss kann die Rede sein?
 
Die Urbesetzung bestand aus Sänger Tommy Engel, Ernst „Erry“ Josef Stoklosa (Gesang, Gitarre, Percussion), Günther Antonius „Bömmel“ Lückerath (Gesang, Gitarre, Banjo, Mandoline, Violine, Bouzouki), Hartmut Reinhold Priess (Bass, Gitarre, Mandoline), Franz Peter Schütten (Gesang, Gitarre, Percussion) und Dieter „Joko“ Jaenisch (Gesang, Piano, Akkordeon). Der 1998 verstorbene Jaenisch war (mit Unterbrechung) bis 1980 dabei, Engel stieg 1994 aus und wandelt seitdem auf Solopfaden, Schütten zog sich 2017 aufs Altersruheteil zurück.
 
Nun verabschiedet sich also auch Fööss-Urgestein Hartmut Priess. Bis zum Jahresende macht er noch weiter. Das Silvesterkonzert in der KölnArena soll sein Abschiedskonzert werden, dann ist er 76 Jahre alt. Wie für die anderen vor ihm ist auch für Hartmut bereits ein jüngerer Nachfolger gefunden, der in seine Fußstapfen treten wird. Was sein Ausstieg bedeutet, zeigen die öffentlichen Reaktionen. Es raschelt nicht nur in der Kölner Tagespresse, sondern im ganzen rheinischen Blätterwald.
 
Bei Fööss-Konzerten, von denen ich in den vergangenen vierzig Jahren unzählige gesehen habe, stand Hartmut mit seinem Bass meist bescheiden im Hintergrund, ein ruhiger, besonnener und meist wortkarger Mann. Ich weiß nicht, wie oft ich die Band allein am Tanzbrunnen gesehen habe, wo sie jedes Jahr im Sommer auftreten, und den auch Hartmut so gerne mag.
 
Wenn Hartmut Priess dann ab 2019 bei Bläck Fööss-Auftritten nicht mehr auf der Bühne stehen wird, sind von den Gründungsmitgliedern nur noch der Erry und der Bömmel übrig. Bei der Vorstellung überkommt mich eine gehörige Portion Wehmut. Ich hoffe, die beiden machen noch viele Jahre weiter.
 
Dir aber, lieber Hartmut, herzlichen Dank für all die Konzerte und die unzähligen kölschen Momente, die du mir und so vielen anderen geschenkt hast. Mit den Bläck Fööss hast du dich um Köln, die kölsche Musik und die kölsche Mundart verdient gemacht und gehörst zum kollektiven Bewusstsein dieser Stadt. Ich wünsche dir für die Zukunft alles Gute.

Freitag, 15. Juni 2018

BAP auf Familientour

Mindestens einmal im Jahr muss ich BAP live sehen, seit Jahrzehnten schon. Natürlich gibt es Jahre, da das nicht möglich ist, weil Wolfgang Niedecken mit seiner Band eine Pause einlegt. Dafür klappt es dann in anderen Jahren zweimal oder öfter. Derzeit sind die Kölsch-Rocker wieder auf einer bundesweiten Tour, die sie – wie könnte es anders sein – natürlich auch wieder in die KölnArena führte.
 
Die laufende Tour trägt – ganz BAP-untypisch – keinen Namen. Bei mir firmiert sie unter der Bezeichnung Familientour. Denn Wolfgang Niedecken hat zuletzt in New Orleans sein sogenanntes Familienalbum aufgenommen. Darauf, auf den Inhalt und auf seine Familie wird er in den gut drei Stunden Spielzeit immer wieder eingehen. Ich habe das Gefühl, je älter der mittlerweile 67 Jahre zählende BAP-Chef wird, desto enger wird die Verbindung zu seinem Clan. So grüßt er zwei seiner Tanten, die irgendwo in der mit 13.000 Besuchern gefüllten Arena sind, die eine davon 98 Jahre alt. Seinem längst verstorbenen Vater widmet Niedecken mehrere Stücke, seiner Mutter, über die er zudem die eine oder andere Anekdote preisgibt, desgleichen.
 
Los geht es gleich rockig mit Drei Wünsch frei und dem Waschsalon vom zweiten Album. Wer aus einem Fundus von über fast vier Jahrzehnte erschienenen Alben auswählen kann, besitzt eine glänzende Ausgangsposition, um keinen Moment musikalische Langeweile aufkommen zu lassen. Das belegt die Band eindrucksvoll und routiniert. Man merkt schnell, dass BAP hier ein Heimspiel genießt. Das Publikum ist ausgesprochen textsicher, und die Musiker auf der Bühne werden frenetisch gefeiert. „Oh, wie ist das schön“, schallt es vieltausendstimmig durch die Halle. Kein Wunder, denn da vorn steht eine echte kölsche Legende.
 
Ich bekomme viele meiner Lieblingsstücke zu hören, viel von den Salzjebäck- und Usszeschnigge-Alben. Auch das spätere Nix wie bessher darf nicht fehlen. Überraschungen gibt es auch. Den Jebootsdaachpogo, von dem ich nicht weiß, ob ich ihn überhaupt jemals live erlebt habe, gibt es in einer Cajun-Version. Die dreiköpfige Bläsersektion, bestehend aus Trompeter, Posaunist und Saxophonist, stellt sich als echte Bereicherung heraus. Besonders positiv fällt das auf bei den Intros, die früher zu einigen Songs einfach dazugehörten, beispielsweise bei Diss Nach ess alles drin oder dem legendären Klassiker Jupp. Die Bläser reihen sich mühelos ein in die Riege großartiger Musiker, die Wolfgang Niedecken zur jüngsten Reinkarnation von BAP um sich geschart hat.
 
Zwischendurch kommt der Liedermacher Björn Heuser auf die Bühne, um mit Wolfgang Niedecken zusammen Wie schön dat wöhr anzustimmen. Ein Problem zog sich allerdings durch das gesamte Konzert, der Hall von der Rückseite der Halle, der bei manchen Stücken, besonders aber bei den Ansagen dazwischen auffiel. Ich habe schon oft von den Akustikproblemen in der KölnArena gehört, jetzt sind sie mir zum ersten Mal richtig aufgefallen.
 
Der Klasse des Konzerts tut das indes keinen Abbruch. BAP wird von Mal zu Mal besser, so war es auch diesmal. Gleich drei Zugabenteile mit jeweils mehreren Liedern gab es, dabei ganz zum Schluss endlich mal wieder Verdamp lang her als finaler Höhepunkt. Oder jedenfalls fast ganz zum Schluss. Dass sie danach nach gut drei Stunden nämlich noch Jraaduss spielten, schien die Musiker am Ende selbst überrascht zu haben.

Samstag, 5. Mai 2018

Demon's Eye als achtbare Deep Purple Verwalter

Demon's Eye gelten als eine der besten Deep Purple Tribute Bands, und Ian Paice, Jon Lord sowie der ehemalige Rainbow-Sänger Doogie White spielten wiederholt mit ihnen. Ihren Status belegte die ursprünglich aus Siegen stammende fünfköpfige Truppe bei ihrem Konzert in der Kabelmetal-Halle in Schladern eindrucksvoll. Zuvor hatte ich von der Gruppe noch nie etwas gehört. Dabei gibt es Demon's Eye, wenn auch schon längst nicht mehr in Urbesetzung, bereits seit zwanzig Jahren. Damit deckt die aktuelle Tour gleich ein doppeltes Jubiläum ab: 50 Jahre Deep Purple und 20 Jahre Demon's Eye.
 
Bei ihrem gut zweistündigen Auftritt stellten Demon's Eye die Zeit von der Deep Purple-Gründung 1968 bis zum 1993er Album The Battle Rages On in den Vordergrund. Gleich vom ersten Purple-Album wurde Hush gespielt, das ich zuletzt auch noch bei Deep Purple selbst erlebt habe, und früh kommt ein Highway Star, das deutlich macht, dass Demon's Eye ihren positiven Ruf völlig zurecht genießen. Sie spielen nicht nur mit Begeisterung und Leidenschaft, sondern mit musikalischen Fähigkeiten, die erklären, warum viele echte Purple-Fans sich auch dieser Tribute Band zugetan fühlen.
 
Sänger Daniele Gelsomino beherrscht die großen Gesten, Schlagzeuger Andree Schneider trommelte, was die Stöcke hergeben, und Bassist Maik Keller zeigte sich auf der Bühne wie Roger Glover als der ruhende Pol. Der formidable Gitarrist Mark Zyk lieferte sich mit Organist und Keyboarder Gert-Jan Naus ausschweifende Instrumentalpassagen. Zu einem regelrechten Duell geriet das bei dem episch zelebrierten Child in Time, bei dem sich die Beiden gegenseitig hochschaukelten. Grandios! Überhaupt Child in Time – das habe ich bei Deep Purple seit vielen Jahren nicht mehr live erlebt. Angeblich spielen Purple es nicht mehr, weil Ian Gillans Stimme nicht mehr in die erforderliche Höhe kommt. Zwar hatte auch Daniele Gelsomino bei diesem Stück zu kämpfen – und wer hätte das nicht –, so zog er sich doch achtbarer aus der Affäre, als ich erwartet hatte. Respekt!
 
Die Klassiker erfreuten das Herz, denn man muss den Jungs von Demon's Eye attestieren, dass sie gar nicht so weit weg sind von der Band, deren Lebenswerk sie verwalten und auf ihre eigene, den Originalen sehr nahe Weise interpretieren. Weder fehlte Woman From Tokyo noch Smoke on the Water. Für Perfect Strangers vom gleichnamigen Deep Purple-Comeback-Album bin ich immer zu haben. Auch Rainbow beherrschen sie, wie beispielsweise Stargazer von Ritchie Blackmores ehemaliger und wieder aktueller Band zeigten. Mit Soldier of Fortune hatten Demon's Eye, wie ich meiner reizenden Begleiterin zwinkernd ins Ohr raunte, sogar „etwas für Mädchen“ im Programm – wofür ich auch prompt einen Ellbogen in die Rippen bekam.
 
Als Zugabe gab es ein Medley aus dem von mir so geliebten Long Live Rock'n'Roll und Black Night, womit Rainbow und Deep Purple schiedlich-friedlich vereint waren. Es folgte Burn, das ich zuletzt bei einem schon länger zurückliegenden Konzert von Black Country Communion aus der Röhre von Glenn Hughes vernommen habe. Den Abschluss bildete ein Rockin' in the Free World, bei dem Band und Besucher noch einmal durch die Decke gingen. Von wem das Original stammt, brauche ich sicher nicht zu erwähnen. Sehr wohl erwähnen kann ich aber, dass ich Demon's Eye bestimmt nicht zum letzten Mal gesehen habe.

Mittwoch, 21. März 2018

Classic Rock 68

Gitarren an die Macht – aber da sind sie ja sowieso, und das ist auch gut so. Die Titelstory der März-Ausgabe von Classic Rock widmet sich Legende und Gitarrenikone Jimi Hendrix, wenn für den Aufmacher auch ein wenig zu kurz, wie ich finde. Mit dem in meinen Augen viel zu selten beachteten Michael Schenker findet endlich auch mal ein anderer Saitenvirtuose die Würdigung, die er verdient. Es kommt selten vor, dass ich über den jüngeren der Schenker-Brüder mehr als bloß ein paar Zeilen lese. Ein weiterer Gitarrist ist von uns gegangen: Nach dem Tod von Fast Eddie Clarke ist keiner mehr übrig von der furiosen Motörhead-Urbesetzung mit Lemmy, Fast Eddie und Philthy Animal Taylor, auf deren Konto Klassiker wie Overkill, Bomber und Ace of Spades gingen. Ein Grund, gleich mal wieder No Sleep 'til Hammersmith röhren zu lassen.

Da wir gerade bei großen Gitarristen sind – Mick Wall beginnt seinen Artikel über die Yardbirds wie folgt: „Sie hatten Eric Clapton. Sie hatten Jeff Beck. Sie hatten Jimmy Page.“ Stimmt, so viel geballte Saiten-Kompetenz kann wohl keine zweite Band aufweisen. Wie Hendrix fanden die Yardbirds vor meiner Zeit statt. Schade, auf dem Gipfel ihres Erfolgs hätte ich sie gern einmal live gesehen. Das gilt sowohl für den einen als auch für die anderen.

Brian Fallon wandelt weiter auf Solopfaden. Meinetwegen, aber ich wünsche mir auch mal wieder ein neues Gaslight Anthem-Album. Die Simple Minds erleben ihren zweiten Frühling. Auch wenn das bisher an mir vorbeiging, freut es mich, dass sie offenbar noch einmal die Kurve kriegen. Im Interview zeigt sich Jim Kerr nachdenklich und tiefgründig. She Rocks – die großen Frauen der Rockmusik werden … angeschnitten. Mal sehen, was diesbezüglich in den nächsten Ausgaben kommt.

Mein persönliches Highlight der März-Ausgabe ist – wie könnte es anders sein? - Alex Gernandts Artikel anlässlich Firepower, des 18. Studioalbums der Heavy Metal-Urgesteine Judas Priest, und ihrer bevorstehenden World Tour. Metal God Rob Halford geht auf seine vor Jahrzehnten überwundene Drogensucht und seine erst vor wenigen Jahren überwundene Krankheit ein. Gitarrist Glenn Tipton spricht über das neue Album. Zum Zeitpunkt des Interviews sah noch alles gut aus, denn die tragische Entwicklung sah noch niemand voraus. Inzwischen wurde bekannt, dass Tipton, seit 1974 ein Priest, an Parkinson erkrankt ist und an der kommenden Tour nicht mehr wird teilnehmen können.

Dienstag, 13. Februar 2018

Classic Rock 67

"We Salute You", titelt die 67. Ausgabe von Classic Rock auf dem Cover, und im Heftinneren heißt es nicht weniger griffig "Forever Young". Dazu sehen wir Malcolm Young auf dem Titelbild noch einmal so, wie wir ihn kannten, liebten und in Erinnerung behalten wollen: die Gitarre im Anschlag, mit geschlossenen Augen und ins Gesicht hängenden Haarsträhnen irgendwo im Spiel seiner Musik vergeistigt. Im Leitartikel erfährt der Verstorbene, ein bescheidener Musikinfizierter ohne Allüren und Gegner jeglichen Starrummels um seine Person, eine wunderbare Würdigung. Damit ist diese Ausgabe meines liebsten Musikmagazins für mich definiert. Mehr hätte es diesmal nicht gebraucht. Danke an Alex Gernandt.

Doch natürlich gibt es noch viel mehr, so wie immer. Bono und The Edge äußern sich im Interview zum neuen Album von U2, und Glenn Hughes lässt uns an seinen Lebensweisheiten teilhaben. Egal was er macht, von Deep Purple bis Black Country Communion, ich mag den Typ einfach. Passend dazu vermeldet Gitarrenikone Joe Satriani, dass Glenn Hughes auf seinem neuen Album den Bass spielt. Die Rock-Mythen erinnern an den Selbstmord von Joy Divisions Ian Curtis 1980, und nach Lemmys Tod 2015 hat nach Mikkey Dee's Einstieg als Trommler bei den Scorpions nun auch Phil Campbell mit den Bastard Sons seine eigene Band. Muss ich reinhören.

Wie üblich bei der ersten Jahresausgabe eines Musikmagazins richtet sich der Blick noch einmal auf das vergangene Jahr, so auch hier. Dass ich solche Rankings mag, erwähnte ich schon des Öfteren. Meine persönlich liebsten Alben 2017 waren BCCIV von Black Country Communion sowie Infinite von Deep Purple, hier auf den Plätzen 3 und 38 genannt. Wobei ich der Aussage "Ein Deep-Purple-Werk ist immer ein Rockalbum von Bedeutung" ebenso zustimme wie der Mehrfachnennung von Black Sabbath's End als das Konzertereignis des Jahres.

Dienstag, 26. Dezember 2017

Classic Rock 66

Mick Fleetwood ziert das Titelbild der Dezember-Ausgabe von Classic Rock, umgeben von weiteren Köpfen, die – besonders in der Frühphase – das Personenkarussell von Fleetwood Mac bestiegen und wieder verließen. Anlässlich des fünfzigsten Geburtstags der Band, die ich damals durch Rumours kennenlernte, widmet das Musikmagazin ihr die Titelstory, und das gleich auf 22 Seiten. Ehre, wem Ehre gebührt, kann man da angesichts eines halben Jahrhunderts Bandbestehen mit zahlreichen musikalischen wie personellen Veränderungen nur sagen.
 
Meine persönlichen Highlights in der vorliegenden Ausgabe sind indes andere: Jaan Uhelszki widmet Tom Petty, dem leider von uns gegangenen Mudcrutch, Heartbreaker und Traveling Wilbury, einen persönlichen Rückblick, der einem noch mal (Schluck!) einen Kloß in die Kehle treibt. Tony Iommi sinniert im Interview über die Anfänge, den Werdegang und (Schade!) das Ende von Black Sabbath, und Bruce Dickinson (Multitalent!) erzählt nicht nur über Iron Maiden, sondern über seine Autobiografie, Drogen, Mobbing, Fechten, Krebs und seinen zeitweiligen Ersatz Blaze Bayley – mit dem ich (Prost!) vor vielen Jahren nach einem Maiden-Konzert mal durch Kölner Kneipen gezogen bin.
 
Die Werkschau widmet sich diesmal (Prima!) John Fogerty, die Meilensteine erinnern an den 8. Dezember 1980, als (Scheiße!) John Lennon erschossen wurde, die Rückblende beschäftigt sich mit Mr. Bigs (Naja!) Mörderballade „To Be With You“, und die Rock-Mythen beleuchten Otis Reddings Flugzeugabsturz unter der (Makaber!) Überschrift: „Der Soulman, der vom Himmel fiel“. Außerdem gibt es Lou Reed, Kansas und die Lebensweisheiten des Noel Gallagher. Das letzte Wort hat diesmal Chris Rea.

Montag, 20. November 2017

30 Jahre Rockpalast-Fete

Das war mal ein runder Geburtstag am Samstag für die alljährlich stattfindende Rockpalast-Fete. Seit sage und schreibe dreißig Jahren veranstalten ein paar nimmermüde Musikenthusiasten die private Party im alten Fort im Friedenspark in der Kölner Südstadt. Ich weiß nicht mehr, wann ich zum ersten Mal daran teilgenommen habe, aber lang ist's her.

Wie immer gab es am Eingang ein Kölschglas, das zum einen als Eintrittskarte und zum anderen für die eigene Getränkeversorgung dient. Denn gezapft wird selbst. An mehreren Stellen in dem Gewölbe stehen Fässer, an denen man sich bedienen kann, ebenso wie an antialkoholischen Getränken und verschiedenen Eintöpfen. All das die ganze Nacht hindurch für 15 Euro. Wer da noch meckert, dem ist nicht zu helfen - tut aber auch keiner. Die Räumlichkeiten müssen auch bezahlt werden, und dennoch schaffen es die Veranstalter meistens, einen kleinen Überschuss zu erwirtschaften, der wohltätigen Zwecken zugute kommt. Kein Cent geht in die eigene Tasche.

Das Kölschglas, längst Kultobjekt in Sammlerkreisen, wird jedes Jahr von einem anderen Motiv aus der Musikszene geschmückt. Diesmal war es das Cover von Nirvanas Nevermind-Album, nachempfunden von meinem alten Kumpel Mathias, der auch für den graphischen Bereich bei BAP zuständig ist. Drinnen hingen nebst dem großen Rockpalast-Banner diverse Plakate von Rockpalast-Konzerten der vergangenen Dekaden.

In diesem Jahr füllte sich das Gewölbe besonders schnell. Dreihundert Besucher, so schätze ich, fanden sich ein. Der Besucherstrom überraschte selbst die Veranstalter ein bisschen. Schon lange vor Mitternacht waren die 240 aktuellen Kölschgläser vergriffen, und eiligst musste Nachschub herangeschafft werden. Das geschah in Form von Gläsern mit Motiven der vergangenen Jahre. Das klappte vorzüglich, genau wie die Kölschversorgung.

Im Mittelpunkt der Rockpalast-Fete stand natürlich wie immer die Musik, ordentliche handgemachte Rockmusik, bei der durchgängig getanzt werden kann. Das ging von David Bowie bis zu Iron Maiden, von Patti Smith bis zu Pearl Jam, von Bruce Springsteen bis zu den Ramones. Einige Stücke trieben mich sogar auf die Tanzfläche. Deep Purple und AC/DC waren es, Rainbow und Judas Priest. Schnell klatschnass, merkte ich, dass ich das nicht mehr gewohnt bin. Spaß gemacht hat es trotzdem.

Neben der tollen Musik freute mich über das Wiedersehen mit alten Bekannten, die ich genau einmal im Jahr treffe, nämlich zu diesem Anlass. Es gab einige große Hallos und so manchen Verzäll. Die Stunden vergingen wie im Flug, und in den frühen Morgenstunden verabschiedete ich mich von einer einmal mehr tollen Rockpalast-Fete. Mit der Hoffnung, niemanden zu vergessen, bedanke ich mich bei den Veranstaltern Uwe, Britta, Michael, Clark und Harry.

Der Termin für die nächste Rockpalast-Fete, dann wieder am gleichen Veranstaltungsort, steht übrigens schon fest: 17. November 2018. Bis dahin!

Montag, 13. November 2017

Classic Rock 65

Das Vorgängeralbum, bei Kritikern und Fans ohne die erhoffte Resonanz, hätte sie fast aus der Bahn geworfen, doch dann kam 1977 und „News of the World“. Wie viele Bands können schon von sich behaupten, ihre neue Scheibe mit einem doppelten Kracher wie We Will Rock You und We Are The Champions zu eröffnen und dann gleich noch ein durchgehend tolles Album folgen zu lassen? Queen können es. Auf dem Thron, von dem sie zu stürzen drohten, saßen sie plötzlich fester denn zuvor. In der Novemberausgabe von Classic Rock beschäftigt sich Mick Wall mit dem Album, seiner Entstehung und den Eskapaden, die die vier Queen-Musiker sich nun mehr denn je erlaubten und erlauben konnten. Der Aufmacher der 65. Ausgabe ist auch mein Highlight dieser Ausgabe.

Woher der Roboter auf dem Plattencover ursprünglich stammte, wusste ich nicht. Danke, Classic Rock, für die Aufklärung. Er schmückte als Titelbild eine 1953 erschienene Ausgabe des amerikanischen Magazins Astounding Science Fiction. Die Musiker machten den Künstler Frank Kelly Freas – ein Meister seiner Zunft: vielfacher Hugo-Gewinner, Illustrator für Isaac Asimov und Robert Heinlein sowie Zeichner von Alfred E. Neumann im MAD-Magazin – ausfindig, und Freas überarbeitete sein ursprüngliches Motiv unter Einbeziehung der vier Queen-Majestäten, denen der Roboter in der neuen Version den Garaus macht.
 
Und das sind meine sonstigen Themen: Wolfgang Niedecken plaudert über sein Familienalbum, seine fünfte Soloscheibe neben BAP, und mit Interesse las ich auch das Interview mit David Crosby. Ich bewundere seine immer noch enorme Schaffenskraft, und in Hinsicht auf Trump spricht er Klartext, aber ich bedauere seine Erleichterung darüber, bei CS&N raus zu sein. Danny Fields, nie zuvor gehört den Namen, aber er begeistert mich als Wegbereiter des Punk, Vertragspartner der Stooges und Manager der Ramones. Schon wieder so ein Artikel, der sich für mich voll und ganz gelohnt hat. Und das nach dem Aufmacher zweite Highlight ist für mich, wie könnte es anders sein, die Rückblende zur Entstehung von Motörhead's Ace of Spades. Lemmy, Fast Eddie und Philthy Animal, mir wird ganz anders. Nochmal danke, Classic Rock.
 
Natürlich gibt es wie immer noch viel mehr: Zu den Tragödien der Rockmusik gehört der niemals völlig aufgeklärte Tod von Michael Hutchence. In den Rockmythen erinnert Ernst Hofacker an den unschönen Abgang des INXS-Frontmanns vor zwanzig Jahren. Sex Pistols-Drummer Paul Cook hat seine alte Truppe The Professionals wieder zusammengetrommelt. Auch woanders wird auf die Pauke gehauen. Die trommelnden Brüder Carmine und Vinny Appice, letzterer mir vor allem bekannt durch Black Sabbath, haben zum ersten Mal ein gemeinsames Album aufgenommen. Kein Wunder, dass dabei das Schlagzeug im Vordergrund steht. Dave Everley bricht eine Lanze für die oft geschmähten Stone Temple Pilots. Robert Plant steht im Interview Rede und Antwort, und Ten Years After feiern ihr fünfzigjähriges Jubiläum. Zum Dreißigjährigen des Whitesnake-Millionensellers 1987 zeigt sich David Coverdale blendend aufgelegt und will in Würde altern. Es gibt Nachrufe auf Tom Petty und Holger Czukay, und die Meilensteine beschäftigen sich mit George Harrison und Keith Richards.
 
In der Novemberausgabe gibt es einiges an Material, das ich nur streifte und querlas, aber noch mehr, das mich wirklich interessiert. Oder begeistert! Es gibt viel zu berichten, viel zu erfahren im Rockmusikbereich, in Classic Rock steht es. Weiterhin ist das Magazin aus meinen monatlichen Lesegewohnheiten nicht wegzudenken.

Samstag, 29. Juli 2017

Das Underground schließt seine Pforten

Wenn das Underground im September schließen muss, geht wahrlich eine Ära zu Ende. Der Club und Veranstaltungsort in Köln-Ehrenfeld wurde 1988 eröffnet. Er besteht aus einer Kneipe mit zwei angrenzenden Sälen und einem Biergarten für die Sommermonate. Anscheinend wurden die Betreiber von der raschen Entwicklung überrollt. Ihre Pläne, zum dreißigjährigen Jubiläum im Januar eine große Abschiedsparty auf die Beine zu stellen, können sie nicht mehr verwirklichen. Die Stadt Köln will auf dem ehemaligen Industriegelände eine inklusive Universitätsschule errichten. Der Betrieb des Undergrounds endet auf städtische Anordnung Mitte September.
 
Mit seinen Wochenendparties und seinen Konzerten genießt das Underground einen guten Ruf weit über Kölns Stadtgrenzen hinaus. Die dort gespielte Musik war meist nach meinem Geschmack: Rock, Rock'n'Roll, Heavy Metal und Punk. Viele heute international bekannte Bands und Künstler standen im Underground auf der Bühne, bevor ihre Karriere so richtig in Schwung kam, so beispielsweise Green Day, die heutzutage Stadien füllen.
 
Anfang der Neunziger Jahre habe ich ein paar Mal im Underground gesessen und zwei oder drei Konzerte gesehen. Ich glaube mich zu erinnern, dass Brings dazu gehörte. Brings, 1990 gegründet und damals nach eine richtige Rockband, bevor sie zehn Jahre später mit fliegenden Fahnen zur Stimmungs- und Karnevalsmusik überliefen, spielten dort, noch bevor sie ihr erstes Album veröffentlichten. Wen ich sonst noch dort sah, weiß ich gar nicht mehr. Auf jeden Fall ist die Zeit des Underground abgelaufen. Das finde ich schade.

Samstag, 17. Juni 2017

The Joshua Tree 1987 im Müngersdorfer Stadion

U2 sind derzeit auf großer Tour. Anlass ist der 30. Geburtstag ihres bahnbrechenden Albumklassikers The Joshua Tree. Spätestens diese Veröffentlichung hatte die vier Iren nach The Unforgettable Fire endgültig zu Superstars gemacht, die weltweit die Stadien füllten.

So auch in Köln, wo sie am 17. Juni 1987 im Müngersdorfer Stadion vor 67.000 Zuschauern spielten. Einer davon war ich. Als Vorgruppen traten Big Audio Dynamite auf, Lou Reed sowie The Pretenders. Weder habe ich Erinnerungen an Lou Reed, noch an die wunderbare Chrissie Hynde. Schade.

Bevor die begeisternde Show begann, ärgerte ich mich gleich am Eingang, und das nicht wenig. Der Abrissstreifen an den Eintrittskarten interessierte die Eingangskontrolleure nämlich herzlich wenig. An der Vorkontrolle, also am Stadioneingang, wurde die halbe Karte abgerissen, am Zugang zum Innenraum dann die zweite Hälfte einbehalten. Für jemanden, der die Karten der von ihm besuchten Konzerte sammelt, ein Unding, ja eine Frechheit. Bloß interessierte das die Deppen an den Kontrollpunkten herzlich wenig. Da half weder gutes Zureden noch Fluchen oder Schimpfen. So etwas habe ich weder vorher bei einem Konzert noch später jemals wieder erlebt.

Das Konzert selbst hielt, was die Erwartungshaltung versprach: Die Stücke, die ich inzwischen auswendig kannte, eine großartige Performance und eine Band auf ihrem vermeintlichen Höhepunkt. Jetzt, 30 Jahre später, spielen U2 im Gegensatz zu damals das komplette Album. Das allein wäre schon Grund genug, sich einen Auftritt anzusehen. Allerdings, und das ist ein schwaches Bild, findet nur ein einziger Auftritt in Deutschland statt, und zwar im Juli in Berlin. Das ist mir doch zu weit, da bleibe ich lieber bei der Erinnerung an den famosen Auftritt 1987 in Müngersdorf, auch wenn die Erinnerung an das Konzert gern deutlicher sein dürfte.

So sah die Setlist damals aus:

Stand By Me
C'mon Everybody
I Will Follow
I Still Haven't Found What I'm Looking For / Exodus (Snippet)
MLK
The Unforgettable Fire
Sunday Bloody Sunday
Exit / Riders On The Storm (Snippet) / Gloria (Van-Morrison-Song) (Snippet)
In God's Country
The Electric Co.
Help!
Bad / Ruby Tuesday (Snippet) / Sympathy For The Devil (Snippet)
New Year's Day
Pride (In The Name Of Love)
Zugabe(n):
Bullet The Blue Sky
Running To Stand Still
With Or Without You / Love Will Tear Us Apart (Snippet)
Party Girl
'40'

Donnerstag, 8. Juni 2017

Einmal noch Smoke on the Water

Als ich Smoke on the Water zum ersten Mal im Radio hörte, hatte ich noch keine Ahnung von Musik, und auf Konzerte ging ich erst recht noch nicht. Ich war auf Anhieb begeistert, auch wenn ich nicht verstand, um was es in dem Lied ging. Doch ähnlich wie später Sultans of Swing von den Dire Straits war es wie eine Initialzündung. Deep Purple hieß die Band, erfuhr ich. Als ich dann zum Konzertgänger wurde, noch nicht ahnend, dass das jahrzehntelang so bleiben sollte, wollte ich diese Band natürlich unbedingt auf der Bühne sehen. Doch Pech gehabt, Deep Purple hatte sich bereits 1976 aufgelöst. Schweren Herzens akzeptierte ich, dass es mir niemals vergönnt sein würde, die Musiker und dieses Stück live zu erleben.

Im Jahr 1984 war ich bei der Bundeswehr und hatte bereits einige Konzerte hinter mir. An einen Auftritt von Deep Purple dachte ich da längst nicht mehr. Wie denn auch? Schließlich existierte die Band seit acht Jahren nicht mehr. Dann berichteten die Kölner Tageszeitungen, die Rocklegenden hätten sich wieder zusammengerauft und ein neues Album sowie eine ausgedehnte Tour ständen auf dem Programm. Ich erinnere mich an ein Preisausschreiben. Ich glaube, es war im Express, aber die Erinnerung könnte mich trügen. Es galt zu raten, welche der alten Stücke die wiederformierte Band auf ihrer Konzertreise spielen würde.
 
Ein neues Album, die Vorstellung fand ich nett. Da ich aber inzwischen von „Machine Head“, „In Rock“, „Fireball“ und dem Live-Meisterwerk „Made in Japan“ infiziert war, erwartete ich keinen großen Wurf. Was sich als Irrtum erweisen sollte, denn das Reunion-Album „Perfect Strangers“ zählt für mich zu den besten Purple-Platten. Ungleich mehr als auf die Scheibe freute ich mich jedoch auf die Tour. Mein Jahre zuvor gehegter und schließlich ad acta gelegter Traum schien in Erfüllung zu gehen. 1985 war die Band auf Tour, und sie spielten ein Open Air auf dem Maimarktgelände in Mannheim. Vermutlich gab es kein Konzert in meiner Nähe, sonst wäre ich nicht nach Mannheim gefahren, per Anhalter, wenn ich mich recht entsinne. Oder doch mit der Bahn? Ich weiß es nicht mehr. Jedenfalls hätte mich nichts davon abhalten können.
 
Vor den Headlinern traten vier Bands auf: Meat Loaf, Mountain, Roger Chapman und die Lokalmatadoren Rodgau Monotones. Gleichwohl teils klingende Namen, dürften mir die Vorgruppen ziemlich egal gewesen sein. Ebenso dass es, so meine ich mich zu erinnern, über weite Strecken des Tages regnete. Es war der 29. Juni und mein erstes, jahrelang nicht für möglich gehaltenes Deep Purple-Konzert. Zwei Jahre später sah ich sie in der alten, heute längst nicht mehr existenten Kölner Sporthalle und in den folgenden drei Dekaden immer mal wieder, zuletzt 2015 in der Arena in Oberhausen.
 
Vor wenigen Monaten wurde dann ein neues Album angekündigt. Bei dem Titel „inFinit“ schossen die Spekulationen über ein bevorstehendes Ende der Band ins Kraut. Zudem wurde die anstehende Welttournee als „The Long Goodbye Tour“ angekündigt. Verdenken könnte man den altgedienten Recken den Rückzug ins Privatleben nicht, schließlich sind sie um die Siebzig. In einem Interview in der April-Ausgabe des Musikmagazins Classic Rock und auch an anderer Stelle relativierte Schlagzeuger Ian Paice, der übrigens als Kind zwei Jahre in Köln lebte, die schlimmsten Befürchtungen. Zwar sei das Ende der Band unvermeidlich, doch auch wenn dies die letzte ausgedehnte Welttour sei, können die Musiker sich durchaus vorstellen, kleinere Reisen mit wenigen Auftritten in verschiedenen Kontinenten zu unternehmen. Nicht mal ein weiteres Album schließt der Drummer kategorisch aus. Voraussetzung sei natürlich, dass sie alle gesund blieben.
 
Nun hielt das Hardrock-Flaggschiff in der KölnArena Einzug. Es war das erste Mal, dass ich Deep Purple an diesem Auftrittsort erlebte. Sie begannen mit Time for Bedlam, einem von vier Songs des neuen Albums, die zeigten, dass sich die aktuellen Stücke hinter den Klassikern nicht zu verstecken brauchen. Die folgten dann mit Fireball, Bloodsucker und Strange Kind of Woman in rascher Folge.
 
Ian Paice und Bassist Roger Glover spielten beherzt wie seit fast fünfzig Jahren. Ian Gillan, bei dem ich immer fürchte, dass die Stimme versagt, belehrte mich zum wiederholten Mal eines besseren. Gitarrist Steve Morse sowie Keyboarder Don Airey sind schon lange viel mehr als bloßer Ersatz für Ritchie Blackmore und Jon Lord – auch wenn diese beiden im Line Up der Band für mich unerreicht bleiben. Morse ist ein hervorragender Gitarrist, und Aireys ausgedehntes Solo erinnerte an Glanzzeiten des großen Jon Lord. Da standen fünf wunderbare, fünf beseelte Musiker auf der Bühne, die sich ihres Könnens und ihrer Fähigkeiten bewusst sind, die nichts mehr beweisen müssen und vielleicht gerade deswegen umso mehr Spaß an ihrem eigenen Spiel haben.
 
Es entwickelte sich ein Parforceritt durch die Jahrzehnte und durch die verschiedenen Schaffensphasen der Band. Als Perfect Strangers vom Wiedervereinigungsalbum erklang, ahnte man, dass es dem Finale entgegengeht, das dann mit Smoke on the Water, wie könnte es anders sein, seinen Höhepunkt erreichte. Lautstark wurde der große Klassiker aus mehreren tausend Kehlen mitgesungen. Als Zugabe gab es dann wie von mir erwartet Hush vom allerersten Album von 1968 und schlussendlich das abermals von den Fans mitgesungene Black Night.
 
Keine Frage, Deep Purple präsentierten sich noch einmal wie zu besten Zeiten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie wirklich aufhören. Dazu sind sie zu spielfreudig, zu sehr voller Energie und einfach noch viel zu gut. Dieses Konzert wäre zwar ein würdiger Abschluss für mich, aber Ian Paice's zurückhaltende Andeutungen im Interview lassen mich hoffen, dass es das noch nicht war mit Deep Purple. Ansonsten ginge für mich wirklich eine Ära zu Ende. Aber mindestens einmal möchte ich gern noch – nun ja, es steht in der Überschrift.

Setlist: 1. Time for Bedlam / 2. Fireball / 3. Bloodsucker / 4. Strange Kind of Woman / 5. Johnny's Band / 6. Uncommon Man / 7. The Surprising / 8. Lazy / 9. Birds of Prey / 10. Hell to Pay / 11. Keyboard Solo / 12. Perfect Strangers / 13. Space Truckin' / 14. Smoke on the Water / 15. Hush / 16. Bass Solo / 17. Black Night.
 

Mittwoch, 19. April 2017

Classic Rock 59

Vom Titelbild der April-Ausgabe schaut einem ein grimmig dreinblickender Jim Morrison entgegen. Der Aufmacher ist das vor 50 Jahren erschienene Debütalbum. Vierzehn Seiten sind dem Quartett, das die Welt musikalisch auf den Kopf stellte und bis heute tiefe Spuren hinterlassen hat, und seinem ersten Album gewidmet. Ein paar Songs von ihnen gibt es, bei denen brauche ich bloß die Augen zuzumachen, um das Gefühl zu haben, mich schlagartig in einem anderen Universum aufzuhalten, und wenn The End Apokalypse Now einen noch düstereren Anstrich verleiht, als ihn der Film ohnehin hat, geht es kongenialer kaum. Doch mindestens ebenso viel von den Doors hat sich mir nie erschlossen. Zum Komplettverständnis hätten sie mir vielleicht den Weg in die nächste Whiskybar zeigen müssen.
 
Ganz anders Deep Purple, die ich seit Dekaden aufsauge und die bekanntlich zu meinen All Time Favourites gehören. Sie sind inzwischen seit 50 Jahren dabei. Im Vorfeld des neuen, des 20. Studioalbums sprossen die Spekulationen wie Krokusse im Frühjahr, trägt das Album doch den reichlich Interpretationsspielraum gewährenden Titel Infinite. Das letzte Album? Okay. Das hörte man andeutungsweise. Aber darüber hinaus? Womöglich das Ende der Band? Für mich unvorstellbar – obwohl mein Glaube an das Unendliche in der Rockmusik nach Lemmys Tod und der Final Tour von Black Sabbath doch arg ins Wanken geraten ist. Aber ich will ja nicht das Schlimmste annehmen, sondern das Beste. Also weitermachen, bitte. Zu diesem und anderen Themen interviewt Paul Schmitz das einzig durchgängige Stammmitglied von Deep Purple Ian Paice. Nach dem Lesen bin ich, wie ich gestehen muss, nicht viel schlauer als vorher. Ein abruptes Ende der Band wird es zumindest nicht geben, und das ist schon mal viel wert.
 
Die Meilensteine beleuchten Eddie Cochrans tragisch-frühen Tod, des just verstorbenen Jaki Liebezeit wird gedacht, und Steel Panther kommen mit einigen ihrer Aussagen mehr als merkwürdig daher. Bonfire setzen noch immer volle Fahrt voraus, in den Rock-Mythen gibt es mit dem Tod des Soul-Prinzen Marvin Gaye eine weitere Tragik zu bedauern, und Blackberry Smoke, von denen ich nichts bewusst kenne, muss ich mir wirklich mal zu Gemüte führen. Nett der Blick auf alte Eintrittskarten, sammle ich die meinen doch auch schon seit dreieinhalb Dekaden. Steve Hackett gibt sich im Interview charmant und bleibt politisch-kritisch auf Kurs, Wilko Johnson ist dem Tod von der Schippe gesprungen, und John Watt und Fischer Z sind immer noch da. Hach ja, Red Skies Over Paradise. Ein Highlight ist die Werkschau-Auslese von Judas Priest. Die Truppe um Rob Halford gehört für mich zu den Speerspitzen nicht nur der NWOBHM, sondern des Metal generell, des melodischen noch dazu.

Sonntag, 19. März 2017

Classic Rock 58

In der März-Ausgabe meines bevorzugten Musik-Magazins beschäftigen sich Redakteure und Mitarbeiter mit den „100 besten Alben der 80er“. Eine solche Aufstellung ist natürlich subjektiv bis zum geht-nicht-mehr, und das ist das Gute daran. Man mag zustimmen, man kann zweifeln, man darf sich daran reiben. Es gibt Konsens, es gibt Dissens. Wie schlimm wäre es doch, hätten alle den gleichen Geschmack. Ich mag solche Contests, ähnlich wie die Jahresrückblicke im Best-of-Modus. In den vorliegenden Top 100 findet sich alles: von Industrial (Bauhaus) bis Punk (Dead Kennedys), von AOR (Foreigner) bis Heavy Metal (Metallica), von Folk-Punk (The Pogues) bis zu Singer/Songwriter-Folk (Bob Dylan), dazu ganz viel Pop und einige Sachen, die ich nicht zuordnen kann – was man ja auch beileibe nicht bei allem muss.

Auf dem Siegertreppchen tummelt sich der Heavy Metal. Auf Platz 3 liegt High'n'Dry von Def Leppard, davor rangiert Van Halen mit Women And Children First, und ganz oben steht Black Sabbath mit dem durchaus epochalen Heaven And Hell. Sechzehn der aufgeführten Alben sind in meinem Besitz, manche kenne ich nicht, nicht einmal die Bands. Bei anderen wundere ich mich. Iron Maidens Piece Of Mind statt Number Of The Beast? Springsteens Tunnel Of Love statt des Jahrhundertwerks Born In The USA? Von den Großtaten der Dire Straits gar nichts? Auch keine Guns'N'Roses? Die Regeln könnten eine Erklärung dafür liefern, zum Beispiel: „Die bekanntesten Alben sind tabu.“ Aha. Neil Youngs Freedom ist dabei und wäre es bei mir auch. Aber Manowar mit Battle Hymns? Nun ja. Aber wie gesagt, darüber kann man trefflich streiten, und das ist schön.
 
Selbstverständlich hat die 58. Ausgabe von CLASSIC ROCK auch darüber hinaus eine Menge zu bieten. Die Rückblende dreht sich diesmal um Randy Rhoads. Ozzys Knappe starb vor 35 Jahren bei einem Flugzeugabsturz. Kein Jahr zuvor war der junge Ausnahmegitarrist vom Fachblatt Guitar Player als bestes neues Talent ausgezeichnet worden. Eine Tragödie, fürwahr. Chris Franzkowiak würdigt in seinem Artikel „Judas Priest – Zeitgeist auf der Überholspur“ das vor 30 Jahren erschienene bahnbrechende Album Turbo, und die Werkschau-Auslese widmet sich den AOR-Urgesteinen Survivor. Dass die Wirklichkeit die Berichterstattung zuweilen weit hinter sich lässt oder gar ad absurdum führt, beweist der Tod von Rick Parfitt. Wurde in der vorigen Ausgabe noch verkündet, der Status Quo-Gitarrist befinde sich nach schweren gesundheitlichen Problemen auf dem Weg der Besserung, gibt es diesmal einen Nachruf auf den jüngst Verstorbenen. Auch das tragisch.

Sonntag, 12. Februar 2017

Kölsche Mundart mit dem Drei Mann Quartett

Kölsch wie auch andere regionale Mundarten wird immer weniger gesprochen, heißt es – und immer weniger gesprochen werden. Es sei abzusehen, dass die Dialekte aussterben. Bin ich in Köln in den Veedeln unterwegs, in der Straßenbahn oder selbst in kölschen Kneipen, fällt mir auf, dass die Behauptung stimmt. Oder zumindest bilde ich mir das ein. Kölsch sprechen überwiegend noch die alten Kölner.
 
Anders ist das im Karneval, wo die kölsche Sprache aus dem Liedgut nicht wegzudenken ist. Zu den Gruppen, die dort seit Jahrzehnten auftreten (Bläck Fööss, Höhner, Paveier, Räuber), gesellten und gesellen sich alljährlich neue Bands (wie beispielsweise die Klüngelköpp, Kasalla, Cat Balou, Die Domstürmer). Leider bekommt man sowohl von den Alteingesessenen als auch den Neuen in ihren Liedern kaum einmal mehr richtig schöne Geschichten erzählt, so wie es vor allem die Bläck Fööss in den Siebziger Jahren machten. Natürlich bestätigen Ausnahmen die Regel, aber überwiegend muss für jede Session eine neue Hymne her, die auch der letzte Depp noch mit drei Promille mitgrölen kann.
 
Glücklicherweise gibt es – abseits der großen Bühnen und zumeist unbeachtet seitens eines feierwütigen Publikums – Musiker, die sich der kölschen Mundart und den alten Texten verschrieben haben. Sie pflegen sie bei ihren Auftritten mit Begeisterung und erhalten sie am Leben. Zunächst fiel mir das vor ein paar Jahren bei der Familich auf, auch bei Philipp Oebel und vor geraumer Zeit bei Peter Schmitz-Hellwing. Und jetzt lernte ich eine Band kennen, von der ich bis dato noch nie etwas gehört hatte. Noch dazu geschah das, nachdem mir ein Flyer in die Hand gefallen war, nicht in Köln, sondern in der mittelalterlichen Burg Mauel im Windecker Ländchen.
 
Um ein Trio handelt es sich, das den im ersten Moment merkwürdig anmutenden Namen Drei Mann Quartett trägt. Verständlich wird er, wenn man erfährt, dass das Publikum als der vierte Mann (oder die vierte Frau) gilt. Dass das dreiköpfige Quartett bislang an mir vorbeiging, wundert mich, spielen die Jungs doch bereits seit einigen Jahren zusammen. Freddie Böhmer und Martin Hark spielen akustische Gitarre, Reinhold Schreiber zupft den E-Bass, jedoch kommen im Laufe des Konzerts auch weitere Instrumente wie beispielsweise die durch Hans Süper bekannt gewordene Flitsch zum Einsatz. Das Bild oben habe ich von Facebook entliehen, dort ist das Drei Mann Quartett präsent.
 
Der Gewölbesaal der Burg Mauel bot einen schönen Rahmen für den Auftritt. Wie lang mag er gewesen sein (der Auftritt, nicht der Gewölbesaal)? Zwei Stunden bestimmt, ich habe nicht auf die Uhr geschaut. Wozu auch, denn die Zeit verging wie im Flug. Die Musiker konzentrierten sich auf Klassiker der kölschen Mundart wie Willi Ostermanns (1876 – 1936) Die Mösch und Kutt erop! oder Karl Berbuers (1900 – 1977) Heidewitzka, Herr Kapitän sowie das von Hans Knipp (1944 – 2011) komponierte und von Horst Muys (1925 – 1970) bekannt gemachte Ne Besuch em Zoo. Alles wohlklingende Namen von Komponisten, Textdichtern und Krätzchensängern. Diese klassischen Mundartlieder ließen sich damals durchaus dem Karneval zurechnen, gehen für mich aber viel weiter. Häufig liefern sie Alltagsbeobachtungen in musikalisch aufbereiteter Form, worin besonders Willi Ostermann ein Meister war. Ich bin ne kölsche Jung von Fritz Weber (1909 – 1984) kam ebenso zu Ehren wie De Pänz sin us dem Hus und weitere Stücke der Bläck Fööss, kein Wunder, gelten zahlreiche Leeder der Mutter aller kölschen Bands selbst längst als Klassiker. Noch viel mehr gab es, und manches kannte ich gar nicht.
 
Freddie Böhmer, Martin Hark und Reinhold Schreiber singen alle. Jeder der drei hat offenbar seine persönlichen Lieblingsstücke, und mit entsprechender Hingabe werden sie vorgetragen. Man merkt den Musikern ihre Freude beim Vortrag an, was noch unterstrichen wird durch die launigen Ansagen und die kleinen Verzällcher zwischen den einzelnen Stücken. Dank Musikern wie dem Drei Mann Quartett leben solche musikalischen Perlen in kölscher Mundart weiter, was aller Ehren wert ist und nicht genug anerkannt werden kann. Es war ein herrliches Konzert, und das dreiköpfige Quartett wird mich wiedersehen. So kündigten die Musiker bereits an, im kommenden August, und dann unter freiem Himmel, erneut in der Burg Mauel aufzutreten. Dann fahre ich wieder hin. Also, heißer Tip für alle Freunde von Krätzchen und kölschen Mundart-Evergreens: das Drei Mann Quartett!

Freitag, 20. Januar 2017

Black Sabbath mit furiosem Finale

Sie gelten als die Gründerväter des Heavy Metal und drückten dem Genre über annähernd fünf Dekaden ihren Stempel auf, wenn auch mit wechselnden Besetzungen. Neben Ozzy Osbourne sangen vorübergehend auch Ronnie James Dio sowie Ian Gillan bei Black Sabbath. Zudem sah ich vor ein paar Jahren bei einem Open Air in Bonn unter dem Bandnamen „Heaven and Hell“ die Besetzung Dio, Tony Iommi, Geezer Butler und Vinny Appice.

Jetzt, fünfzig Jahre nach den ersten gemeinsamen musikalischen Gehversuchen von Osbourne, Iommi, Butler und Bill Ward, begab sich die Legende auf Abschiedstour. Das letzte Konzert in Deutschland, bevor dann in ihrer Heimatstadt Birmingham endgültig der Vorhang fällt, fand in Köln statt. Der einzige Wermutstropfen war das Fehlen von Bill Ward am Schlagzeug, der durch den zugegeben hervorragenden Trommler, einen echten Berserker hinter der Schießbude, Tommy Clufetos ersetzt wurde.
 
Black Sabbath legten los mit Black Sabbath, und gleich vom ersten Stück an kochte die Halle. In der Bühnenmitte stand Ozzy am Mikrofonständer, an dem er das ganze Konzert über hüpfte und wibbelte und den er nur zu gelegentlichen Ausflügen losließ, um das Publikum unermüdlich zum rhythmischen Klatschen zu animieren. Was aber gar nicht nötig war, denn die 15.000 Besucher in der KölnArena feierten ihre Helden noch einmal frenetisch ab. Zur Linken (von den Zuschauern aus gesehen) malträtierte Geezer Butler seinen Bass, und rechts glänzte Tony Iommi an der Gitarre. Der von ihm produzierte schwere Gitarrensound war schon immer eins der Markenzeichen von Black Sabbath, das ihrer Musik einen ganz eigenständigen Sound verlieh, eine unverwechselbare Note, in meinen Augen ein Alleinstellungsmerkmal, ähnlich wie es bei Motörhead auf deren eigene Art der Fall war.
 
Was in den folgenden knapp zwei Stunden folgte, war ganz großes Kino. Ich war schon bei zahlreichen Konzerten, aber ich habe noch nicht erlebt, dass vier Männer einen solchen Geräuschorkan erzeugen können – der übrigens anschaulich demonstrierte, dass auch in der oft gescholtenen KölnArena eine hervorragende Akustik möglich ist, wenn man die Technik entsprechend präpariert. Jedenfalls fegte ein brachiales Hitfeuerwerk von Fairies Wear Boots über War Pigs bis hin zu Dirty Woman durch die Halle, das einen im Innenraum regelrecht von den Socken haute. Iommis Gitarrenriffs kamen gewohnt düster daher, gewohnt schwer und trugen den musikalischen Unterbau fast ebenso mit wie Butlers donnernder Bass und der wie entfesselt trommelnde Clufetos. Ozzy, der Fürst der Finsternis, war weitaus besser bei Stimme, als ich das vorab gelesen hatte. Er wetteiferte mit Tonys Gitarreninferno und schien geradezu besessen davon, sich nicht von dieser Riffkanonade unterkriegen zu lassen.
 
Bei Iron Man und Children of the Grave ging es dann dem heraufbeschworenen Ende entgegen. Spaß hatten sie bis zuletzt, das sah man besonders dem lachenden Ozzy an, und das Publikum war ohnehin aus dem Häuschen. Meinetwegen hätte das Konzert gern noch zwei Stunden weitergehen können, aber die älteren Herren auf der Bühne sind nun mal leider nicht mehr die Jugendlichen, die sich vor einem halben Jahrhundert aus Birmingham aufmachten, um die Welt zu erobern. Wehmut kam bei dem Konzert nicht auf, dazu blieb überhaupt keine Zeit, doch davon verspüre ich jetzt ein wenig, da ich diese Zeilen niederschreibe. Denn es ist wirklich vorbei, das wurde endgültig besiegelt mit dem finalen Stück, das kein anderes als Paranoid hätte sein können und bei dem Band und Publikum noch einmal durch die Decke gingen.
 
Danach war ich nicht nur zufrieden, nein, ich war schlichtweg begeistert von einem Auftritt, der eine Messlatte war, an die so schnell kein anderer herankommen dürfte. Black Sabbath spielten als gäbe es kein Morgen, was in gewisser Weise ja auch zutrifft. Dass dies das Ende gewesen sein soll, ist trotz allem nur schwer vorstellbar. Die Musiker spielten mit einem Elan und einer unbändigen Kraft, die, wüsste man es nicht besser, vermuten ließe, die Band stände ganz am Anfang und würde gerade jetzt erst so richtig loslegen.
 
Die komplette Setlist: 1. Black Sabbath - 2. Fairies Wear Boots - 3. Under the Sun/Every Day Comes and Goes - 4. After Forever - 5. Into the Void - 6. Snowblind - 7. War Pigs - 8. Behind the Wall of Sleep - 9. N.I.B. - 10. Hand of Doom - 11. Rat Salad - 12. Iron Man - 13. Dirty Women - 14. Children of the Grave - 15. Paranoid
 

Freitag, 14. Oktober 2016

Literaturnobelpreis 2016 für Bob Dylan

Ich gebe zu, dass der Literaturnobelpreis, die höchste literarische Auszeichnung weltweit, für mich immer recht weit weg war. Aus reiner Neugier informiere ich mich alljährlich nach der Veröffentlichung des Namens, wem die Ehre denn diesmal zuteil wurde. Und meistens folgt dann ein Schulterzucken. Denn ebenso alljährlich - oder jedenfalls zumeist - wurde der Preis an Autoren verliehen, deren Namen ich bis dahin nie gehört hatte. Um vor mir selbst nicht ganz unwissend dazustehen, verschaffe ich mir jedes Mal ein paar grundlegende Informationen über den Preisträger, was in den vergangenen Jahren durch Internet und Google immer leichter wurde. Damit hat es sich aber auch, und ich vergesse den Preisträger bald wieder, da ich zumeist mit dem Inhalt der literarischen Werke nicht viel anfangen kann.

Natürlich gibt es Ausnahmen. Heinrich Böll als gebürtigen Kölner las ich bereits in den früheren Jahren meiner Schulzeit nach der Grundschule, doch vieles blieb mir aufgrund meines jungen Alters damals unverständlich. Wenige Jahre später interessierten mich Bölls politische Schriften, die sich mit der RAF und jenen heißen Jahren des Kampfes der 6 gegen 60 Millionen beschäftigten. Auch Die verlorene Ehre der Katharina Blum war dann selbstauferlegte Pflichtlektüre.

Darüber hinaus konnte ich den Preisträgern und ihren Werken aus über hundert Jahren nur wenig abgewinnen. Von ein paar wenigen habe ich neben Böll noch vereinzelte Werke gelesen: Rudyard Kipling (Das Dschungelbuch), George Bernard Shaw (Pygmalion), Hermann Hesse (Der Steppenwolf), Ernest Hemingway (Der alte Mann und das Meer), Jean Paul Sartre (Das Spiel ist aus) und William Golding (Herr der Fliegen). Und tatsächlich fallen mir auch drei Namen ein, von denen ich immer mal etwas lesen wollte, was aber bis heute nicht geklappt hat, nämlich John Steinbeck, William Faulkner und Gabriel Garcia Márquez.

In diesem Jahr jedoch ist alles anders. Gestern wurde ich im Netz fast erschlagen von der Häufung des Namens jenes Mannes, der den Literaturnobelpreis 2016 verliehen bekam: Bob Dylan, mit bürgerlichem Namen Robert Zimmermann. Ich gebe zu, im ersten Moment war ich schlicht baff, dann setzte eine leise, unterschwellige Freude ein, die sich schon bald zu Begeisterung entwickelte. Da erhält plötzlich jemand den Literaturnobelpreis, dessen Namen ich seit Jahren kenne (und nach dem ich eben nicht googlen muss), dessen Musik ich seit Jahren höre und mit dessen Texten ich mich seit Jahren beschäftige.

Dabei entdeckte ich Bob Dylan spät, erst Anfang der Achtziger Jahre. Als seine - für mich und im Nachhinein betrachtet - größten (und er hat viele große) Alben (Bringing It All Back Home sowie Highway 61 Revisited und Blonde On Blonde) erschienen, hörte ich noch keine Musik. Da lief ich allenfalls noch mit dem Trömmelchen um den Weihnachtsbaum und ließ mir von meinen Eltern Kinderlieder vorsingen. Durch Wolfgang Niedeckens öffentliche Begeisterung für Dylan wagte ich mich dann an His Bobness heran - und stellte fest, dass es in der populären Musik Texte gibt, die weit über all jene hinausgehen, die mir bis dahin geläufig waren. Sicher, es gab da schon eine Reihe mir bekannter Ausnahmen, Bruce Springsteen zum Beispiel, und selbst die Kölner Bläck Fööss wussten auf ihren Alben in der zweiten Hälfte der Siebziger Jahre richtige Geschichten zu erzählen, doch in dieser Ausprägung bereits seit 1962, gleich ob als Folk- oder als Rockmusiker, war Dylan eine herausragende Speerspitze literarischer Intellektualität.

Dylan ist ein Poet im besten Sinne, ein nachdenklicher Wortschöpfer, ein Geschichtenerzähler in der Tradition des nachdenklich-kritischen amerikanischen Folks. Seit über fünfzig Jahren bereichert er die Literatur mit seinen Texten, mit Dichtung hohen literarischen Ranges, in der er einerseits reale Begebenheiten aufgreift und in eine erzählende Form bringt und andererseits bildgewaltige, surrealistische Epen schafft. Dylan verknüpft die Lyrics einer musikalischen Textstruktur mit den Inhalten wesentlich umfangreicherer Prosa. Dabei spielt es keine Rolle, dass seine Texte nicht zunächst für die Buchform bestimmt sind. In solcher können sie immer noch abgedruckt werden, für den Puristen, der der Meinung ist, Literatur gehöre ausschließlich zwischen zwei Buchdeckel.

Dass die Popmusik eine der Literatur artverwandte Form ist, beweist Dylan seit Jahrzehnten. Mehr noch, ihm ist es gelungen, die Musik mit seinen Texten zu einem Teil der Literatur zu machen und zu beweisen, dass diese beiden Kunstformen nicht zwangsläufig miteinander konkurrieren müssen, sondern sich ergänzen und gar verschmelzen können. Schon die alten Griechen trugen gedichtete Epen zu Musik vor, und im Mittelalter fuhren Bänkelsänger von einem Ort zum anderen, um Geschichten, wahre oder erdachte, musikalisch vorzutragen. Bob Dylan ist der erste Musiker und Nicht-Schriftsteller, der für seine Texte den Literaturnobelpreis verliehen bekommt, und ich finde das nicht nur großartig, sondern konsequent in einer Zeit, in der Literatur auch formal zu neuen Ufern wie E-Books, Hörbüchern etc. aufbricht. Es kommt nicht primär auf die Verabreichungsform von Literatur an, sondern auf deren Inhalt. Ich finde es schön, dass auch das Nobelpreiskomitee dieser Ansicht zu sein scheint.

Mittwoch, 10. August 2016

Ne kölsche Jung hürt op

Er heißt Hans-Dieter, alle nennen ihn H.D., und er selbst stellt sich in seinem Brauhaus immer als der kölsche Jung vor. Oder besser: er stellte sich so vor – denn damit ist es nach mehr als einer Dekade nun vorbei.

Vor über elf Jahren hängte H.D., damals sechzigjährig, seinen bürgerlichen Beruf an den Nagel. Finanziell konnte er sich nicht beklagen, deshalb brauchte er nicht weiterzumachen. Stattdessen tat er das, wovon er sein Leben lang geträumt hatte. Einmal ein eigenes Brauhaus führen, und zwar so, wie es ihm vorschwebte, urkölsch, gemütlich, mit traditioneller Atmosphäre, leckerer Küche, kölscher Musik und natürlich kaltem Kölsch. Ein Jahr wollte er es auf jeden Fall machen, maximal fünf - es wurden mehr.

Das Haus Schulz am Barbarossaplatz erwies sich dabei als Glücksgriff. Es ist alteingesessen, liegt mitten im Veedel und mitten im Leben. Zudem war es brauereifrei, H.D. konnte also ausschenken, was er wollte. Das machte er sich zunutze, indem er – was es in Köln nur extrem selten gibt – gleich zwei Kölschsorten anbot, nämlich das lieblichere Reissdorf und das herbere Gaffel. Diese Politik wurde gut angenommen. Betrat man die Schänke, sah man auf Theke und Tischen immer Kölschstangen sowohl mit rotem (Reissdorf) als auch mit blauem (Gaffel) Emblem stehen.

Ich ging gern hin und wieder dorthin, denn die Atmosphäre war schön, die Leute angenehm, und H.D. grundsätzlich gut aufgelegt und einem Schwätzchen an der Theke nie abgeneigt. Oft genug kam es vor, dass man, bevor man das erste Kölsch bestellte, schon ein Mini vor sich stehen hatte. „Ein Stößchen aufs Haus zur Geschmackskontrolle“, pflegte H.D. dann zu sagen.
Fast immer lief kölsche Musik, und wenn die Stimmung ausgelassen war, setzte H.D. sich sein Hütchen auf, nahm seine Quetsch von der Ablage und ging musizierend und singend im Laden auf und ab. Die Gäste waren begeistert. Und schnell wurde mitgesungen. Zu seinen Stammgästen gehörten musikalische Legenden wie Ludwig Sebus und Hans Süper.
Nun, im Alter von 71 und nach über elf Jahren in seinem Laden, in dem er sich seinen Lebenstraum verwirklicht hat, hat sich der H.D. endlich aufs Altersruheteil zurückgezogen. Es war eine schöne Zeit mit ihm im Veedel, und seine Gäste werden ihn vermissen. Mach et jot, leeven Hans-Dieter, und genieße dein Leben. Du hast dir deinen Ruhestand wohlverdient.

Samstag, 23. Juli 2016

Classic Rock 52

Der Boss auf dem Cover der aktuellen Ausgabe von CLASSIC ROCK und mit der Titelstory, das hätte schon gereicht, um mir das Magazin zuzulegen, wenn ich es nicht ohnehin regelmäßig lesen würde. In Paul Rees' Artikel „Glory Days“ geht es zurück in die Achtziger und zu Licht und Schatten der erfolgreichsten Jahre von Bruce Springsteen.

Schon in den Siebzigern war Springsteen als die Zukunft des Rock'n'Roll gepriesen worden, doch erst in der folgenden Dekade katapultierte ihn das „Born in the USA“-Album in die Stratosphäre und machte ihn zum Superstar, dem die Massen folgten. Was Springsteen gar nicht so recht war, wie man meinen sollte und wie der Artikel aufzeigt. Da wollte er wieder raus, deshalb das reduzierte, fast minimalistische und vor allem düstere Album „Nebraska“ ohne die E-Street Band. Interessant, wusste ich nicht. Die Achterbahnfahrt aus epischen Höhenflügen und niederschmetternden Tiefpunkten war hausgemacht, weil der Boss mit sich selbst, seinem Leben und seinen Erfolgen zurechtkommen musste. Allein dieser Artikel, der mir einiges Neue vermittelte, war die komplette Ausgabe wert. Meinetwegen hätte er länger und ausführlicher sein können. Ergänzend bespricht David Numberger die – seiner Meinung nach – besten Springsteen-Songs des damaligen Jahrzehnts. Einige davon sind auch für mich unverzichtbar, andere nicht. Das ist wie immer Geschmackssache.
 
Die beiden anderen längeren Artikel des Hefts beschäftigen sich mit Janis Joplin und den Ramones. Bill DeMain beleuchtet Janis' Schicksal, als sie nach anfänglichen Erfolgen in ihren Heimatort Port Arthur zurückkehrte, um ein normales Leben zu führen, dann aber doch wieder in San Francisco landete und zum Superstar wurde. Kris Needs beleuchtet die dunkle Seite der Ramones, ihre Traumata, ihre Krankheiten und das gegenseitige Mobbing. Traurig, im Nachhinein erst recht, und da sie nun alle tot sind sowieso. Mitte der Siebziger waren die Ramones etwas Besonderes, etwas Neues, und wie Motörhead traten sie dem Rock'n'Roll richtig in den Arsch. Heute, vierzig Jahre nach Erscheinen ihres selbstbetitelten Debütalbums, sind sie immer noch etwas Besonderes, auch wenn keiner von ihnen mehr da ist.

Von Mudcrutch hatte ich bis zu dieser Ausgabe von Classic Rock noch nie gehört. Es handelt sich um die Band, in der Tom Petty – am Bass! – spielte, bis sie sich Mitte der Siebziger Jahre auflöste und er die Heartbreakers gründete. Nun sind Mudcrutch wieder zusammen, mit Tom Petty, und haben kürzlich ein Album veröffentlicht. Das interessiert mich natürlich, kein Wunder bei Pettys kompromisslosem Gitarrenrock, egal ob mit den Heartbreakers oder den Traveling Wilburys. Danke an den Artikelschreiber Jörg Staude, der mich mit der Nase auf Mudcrutch gestoßen hat.
 
Und was gibt es darüber hinaus sonst noch? Beach Boy Brian Wilson, geistiger Vater von „Pet Sounds“ und „Smile“, zeigt sich im Interview knapp und kurz angebunden, aber begeistert. Die Rock-Mythen beleuchten das zweite Leben der Anna Mae, und das ist keine geringere als Tina Turner. In der Rückblende beleuchtet Joe Perry Dude und das dazugehörige Album „Permanent Vacation“, das Aerosmith 1987 zurück in die Rock-Oberliga schoss. Gitarrenikone Michael Schenker, einer der wenigen deutschen Gitarristen von Weltrang, ist mit seiner aktuellen Truppe „Temple of Rock“ aktiver denn je. Allerhand und allerlei also, und wie immer eine lesenswerte Ausgabe für den geneigten Rockmusikkonsumenten.

Samstag, 4. Juni 2016

Brings spielen im Stadion

Überall in der Stadt sah ich vorhin Leute mit Schals, Tüchern oder Hütchen, welche mit Karomustern versehen waren. Diese Karos sind irgendwann, irgendwie zum Markenzeichen der Kölner Band Brings geworden. Daraus hat sich anscheinend ein eigenes Merchandising entwickelt. Bei dem Anblick der Menschenmengen, die auf dem Weg Richtung Müngersdorfer waren, dachte ich daran, dass Brings anlässlich ihres fünfundzwanzigjährigen Bestehens heute Abend im Stadion spielen - vor 40.000 Zuschauern, wie ich mitbekam.

Brings hörte ich Anfang der Achtziger Jahre, und ich besuchte zahlreiche ihrer Konzerte in kleinen Locations. Einmal sah ich sie in einem Club, das war noch vor Erscheinen ihres großartigen Debütalbums Zwei Zoote Minsche. Damals wie heute machte die fünfköpfige Truppe kölsche Musik, doch in ihren Anfängen waren sie eine richtig gute Rockband, die vom damaligen BAP-Gitarristen Klaus "Major" Heuser produziert wurde.

Mit Superjeile Zick, das abging wie eine Rakete, kam es zum Knackpunkt. Brings wurden vom Karneval assimiliert und haben seitdem dort richtig viel Erfolg, natürlich auch finanziellen. Das machte sich in den Folgejahren deutlich bemerkbar. Die Musiker gingen immer weiter weg von guter alter Rockmusik und wurden zur Karnevalstruppe mit zuweilen bedenklichen Einschlägen in die Unterhaltungsmusik.

So höre ich Brings seit Jahren nicht mehr, geschweige denn besuche ich noch ihre Konzerte. Letzteres wohl schon seit fast zwanzig Jahren nicht mehr. Dennoch freut es mich, dass eine Kölner Band, die immerhin bis heute beim Kölsch geblieben ist - auch wenn es irgendwann in den Achtziger auf einem Album mal einen Ausflug ins Hochdeutsche gab - und vor nicht allzu langer Zeit mit Kölsche Jung einen veritablen Gassenhauer hinlegte, nach einem Vierteljahrhundert immer noch besteht. Das sei ihnen gegönnt, und ich wünsche ihnen, dass sie noch viele Jahre dranhängen.