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Samstag, 6. Oktober 2018

Der Coloniacon 23 - und es geht weiter



Einen Science-Fiction-Con wollten wir ausrichten, in Köln natürlich. Das war 1982, als wir noch Schulflausen im Kopf hatten. Der Name Coloniacon war damals ebenso schnell gefunden wie als Veranstaltungsort der Jugendpark in Köln-Deutz. Einen SF-Con wollten wir ausrichten, einen einzigen. Mittlerweile schreiben wir das Jahr 2018, seit unserem Erstling sind sage und schreibe 36 Jahre ins Land gezogen, und am vergangenen Wochenende ging der nunmehr 23. Coloniacon über die Bühne, selbstverständlich wieder im Jugendpark.
 
Das Orga-Team traf sich bereits am Freitag Mittag im Conlokal, um den Saal zu bestuhlen, Tische aufzubauen und die Conbücher in die Taschen zu packen. Für das ganze Wochenende war schönes Wetter angesagt, was sich tatsächlich bestätigte. Für mich ist es immer wie ein Jahrzehnte währendes Dauer-Deja-Vu, wenn ich den Jugendpark betrete, durch die Räume schlendere, die Theke in Augenschein nehme, kurz auf die Bühne steige und auf den Rhein hinunterblicke. So auch diesmal. Ich fühlte mich gleich wieder wie zu Hause.
 
Anschließend fuhren wir vom rechtsrheinischen Stadtteil Deutz in die linksrheinisch gelegene Innenstadt. Im Brauhaus Reissdorf im Griechenmarktviertel fand nicht zum ersten Mal der abendliche Vor-Con stattfand. Nach und nach trafen die ersten Besucher aus allen Winkeln der Republik ein, und die erwartete Conatmosphäre stellte sich. Die Stimmung war gut, die Leute waren bester Laune. Es wurde geredet und gescherzt, gegessen und getrunken. Spätestens jetzt hatte mich das Confieber gepackt, und die über zweijährige Pause nach dem Coloniacon 22 war wie weggewischt.
 
Am Samstag Morgen war ich früh im Jugendpark, und schon bald reihten sich Besucher am Eintritt. Da hatten die Händler den Aufbau ihrer Stände bereits hinter sich. Dann hielten Ralf Zimmermann und ich die Eröffnungsrede – merkwürdig eigentlich, schließlich haben wir beide vor vier Jahren unseren Rücktritt als Veranstalter erklärt. Anscheinend ist es wie bei verschiedenen alten Rockbands wie den Stones, die einfach nicht aufhören können. Und so alt wie Mick, Keith etc. sind wir ja noch lange nicht.
 
Der Samstag war dann angefüllt mit Programmpunkten, die neben dem Hauptsaal zudem in mehreren weiteren Räumen stattfanden. Perry Rhodan punktete dabei gleich mehrfach, kein Wunder angesichts unseres Ehrengastes Uschi Zietsch. Zudem gab es Beiträge zu Star Wars, zu Science vs. Fiction, sogar ein Konzert von Singh Boncard und die Phileasson-Abendshow von Robert Corvus und Bernhard Hennen. Parallel dazu lasen einige Autoren aus ihren aktuellen Werken.
 
Auch ich selbst musste bzw. durfte noch einmal auf die Bühne. Eingerahmt von den Promet-Autoren Andreas Zwengel und Oliver Müller plauderte ich über die SF-Serie Raumschiff Promet, angefangen bei Kurt Brands Romanen aus den frühen Siebziger Jahren über die Wiederbelebung durch Jörg Kaegelmann und Thomas Ziegler Ende der Neunziger Jahre bis hin zur aktuellen Entwicklung mit zwei parallel erscheinenden Promet-Serien. Dazu lasen vor einem interessierten und aufmerksamen Publikum Andreas und Oli aus ihren Promet-Romanen.
 
Abends wurde im Freien gegrillt, eine Institution seit den Anfängen des Coloniacons. ET stand wie gewohnt am Grill und verwöhnte die Leute mit Steaks und Bratwurst. Die Getränke, ob nun Kölsch, Softdrinks oder Wasser, standen kistenweise daneben. Als Feuerteufel, der das große Feuer in der Mitte des Grillplatzes in Gang hielt, betätigte sich wie seit vielen Jahren der Münchener Händler Reinhard Rauscher. Der Abend verging wie im Flug, genau wie der vorangegangene Tag.
 
Am Sonntag Morgen ging die Orgie weiter. Unweit der Theke wurde gemeinsam gefrühstückt, auch das eine Tradition auf dem Coloniacon. Die Brötchen gehen wortwörtlich weg wie die Semmeln, und nach der kurzen Nacht erwies sich der Kaffee in so manchem Fall als reinstes Lebenselixier.
 
Im Vergleich zum Samstag ist am Sonntag immer recht wenig los, was sich auch in diesem Jahre bestätigte. Dennoch folgten nach dem Frühstück noch einige Programmpunkte. Die Krimiautorin Regina Schleheck brachte den Besuchern phantastische Köln-Geschichten nahe, und Aki Nofftz schilderte, wie Perry Rhodan das Internet entdeckte. Danach lasen Stellaris-Autor Dieter Bohn sowie der Erfolgsautor Robert Corvus, vor zwei Jahren selbst noch Coloniacon-Veranstalter.
 
Schließlich führten wieder Ralf und ich die Verabschiedung durch und gaben ein paar Ausblicke auf den Coloniacon 24. Jetzt kamen dazu aber dankenswerterweise die anderen Organisatoren mit auf die Bühne: Aki, Regina, Dieter und Daniel von Euw, sodass jeder noch einige Worte an die Besucher richten konnte. Damit war der 23. Coloniacon schon – fast – Geschichte.
 
Nur fast – denn nach dem Abbau und den Aufräumarbeiten folgte ja noch der kleine Nach-Con für diejenigen, sich noch nicht gleich auf den Heimweg machen wollten. Wie bereits der Vor-Con führte er uns wieder ins Reissdorf-Brauhaus, wo wir bis spät in die Nacht bei leckerem Essen, leckerem Reissdorf-Kölsch und gemütlichem Plausch beisammen saßen.
 
Der Coloniacon 23 hat mir viel Freude bereitet. Er ging leider viel zu schnell vorbei, und von den Programmpunkten bekam ich immer nur Ausschnitte mit. Dafür traf ich viele nette Leute, alte Bekannte und neue Bekannte.
 
Ich möchte mich an dieser Stelle bei den Organisatoren und den Helfern bedanken, bei den Gästen und Programmgestaltern, den Ausstellern und Händlern, auch bei Petra und Thomas vom Jugendpark sowie bei Mathy, Björn und dem Reissdorf-Team. Vor allem aber bei den Besuchern, denn ohne euch, ihr Lieben, gäbe es den Coloniacon nach über dreieinhalb Dekaden längst nicht mehr. Vielen Dank!
 
Und wie es schon in der Überschrift steht: Die Geschichte ist noch nicht zu Ende, der Coloniacon geht weiter. Die 24. Ausgabe findet am 23. und 24. Mai 2020 statt. Sogar an das große, das vierzigjährige Jubiläum 2022 wird schon gedacht, wie die unten abgebildeten Bierdeckel verraten.


 

Sonntag, 12. August 2018

Noch ein Coloniacon-Plakat

Das offizielle Veranstalter-Plakat für den diesjährigen Coloniacon habe ich schon vor geraumer Zeit an dieser Stelle vorgestellt. Nun gibt es ein weiteres Plakat, und zwar eins aus dem Hause Perry Rhodan. Das finde ich toll. Schade ist zwar, dass das Bild das selbe Motiv zeigt wie vor zwei Jahren. Aber sei's drum.

Dass ich als Ehrengast mitaufgeführt werde, ist sicherlich nicht auf meinem Mist gewachsen. Ich bin selbst überrascht - wenngleich positiv, das gebe ich gern zu. Wer die aufgeführten Namen zusammengestellt hat, weiß ich nicht.


 

Sonntag, 22. Juli 2018

Hartmut Priess verlässt die Bläck Fööss

Hartmut Priess und ich im Kölner Südstadion.
Sie sind die Mutter aller kölschen Bands, die Stadtchronisten und die Stimme Kölns. 1970 gegründet, sind sie längst eine Institution, lebende Legenden und bis heute nicht aus dem Karneval und dem kölschen Mundartgesang wegzudenken – und dazu, neben BAP, eine meiner beiden Kölner Lieblingsbands. Von wem anders als den Bläck Fööss kann die Rede sein?
 
Die Urbesetzung bestand aus Sänger Tommy Engel, Ernst „Erry“ Josef Stoklosa (Gesang, Gitarre, Percussion), Günther Antonius „Bömmel“ Lückerath (Gesang, Gitarre, Banjo, Mandoline, Violine, Bouzouki), Hartmut Reinhold Priess (Bass, Gitarre, Mandoline), Franz Peter Schütten (Gesang, Gitarre, Percussion) und Dieter „Joko“ Jaenisch (Gesang, Piano, Akkordeon). Der 1998 verstorbene Jaenisch war (mit Unterbrechung) bis 1980 dabei, Engel stieg 1994 aus und wandelt seitdem auf Solopfaden, Schütten zog sich 2017 aufs Altersruheteil zurück.
 
Nun verabschiedet sich also auch Fööss-Urgestein Hartmut Priess. Bis zum Jahresende macht er noch weiter. Das Silvesterkonzert in der KölnArena soll sein Abschiedskonzert werden, dann ist er 76 Jahre alt. Wie für die anderen vor ihm ist auch für Hartmut bereits ein jüngerer Nachfolger gefunden, der in seine Fußstapfen treten wird. Was sein Ausstieg bedeutet, zeigen die öffentlichen Reaktionen. Es raschelt nicht nur in der Kölner Tagespresse, sondern im ganzen rheinischen Blätterwald.
 
Bei Fööss-Konzerten, von denen ich in den vergangenen vierzig Jahren unzählige gesehen habe, stand Hartmut mit seinem Bass meist bescheiden im Hintergrund, ein ruhiger, besonnener und meist wortkarger Mann. Ich weiß nicht, wie oft ich die Band allein am Tanzbrunnen gesehen habe, wo sie jedes Jahr im Sommer auftreten, und den auch Hartmut so gerne mag.
 
Wenn Hartmut Priess dann ab 2019 bei Bläck Fööss-Auftritten nicht mehr auf der Bühne stehen wird, sind von den Gründungsmitgliedern nur noch der Erry und der Bömmel übrig. Bei der Vorstellung überkommt mich eine gehörige Portion Wehmut. Ich hoffe, die beiden machen noch viele Jahre weiter.
 
Dir aber, lieber Hartmut, herzlichen Dank für all die Konzerte und die unzähligen kölschen Momente, die du mir und so vielen anderen geschenkt hast. Mit den Bläck Fööss hast du dich um Köln, die kölsche Musik und die kölsche Mundart verdient gemacht und gehörst zum kollektiven Bewusstsein dieser Stadt. Ich wünsche dir für die Zukunft alles Gute.

Freitag, 15. Juni 2018

BAP auf Familientour

Mindestens einmal im Jahr muss ich BAP live sehen, seit Jahrzehnten schon. Natürlich gibt es Jahre, da das nicht möglich ist, weil Wolfgang Niedecken mit seiner Band eine Pause einlegt. Dafür klappt es dann in anderen Jahren zweimal oder öfter. Derzeit sind die Kölsch-Rocker wieder auf einer bundesweiten Tour, die sie – wie könnte es anders sein – natürlich auch wieder in die KölnArena führte.
 
Die laufende Tour trägt – ganz BAP-untypisch – keinen Namen. Bei mir firmiert sie unter der Bezeichnung Familientour. Denn Wolfgang Niedecken hat zuletzt in New Orleans sein sogenanntes Familienalbum aufgenommen. Darauf, auf den Inhalt und auf seine Familie wird er in den gut drei Stunden Spielzeit immer wieder eingehen. Ich habe das Gefühl, je älter der mittlerweile 67 Jahre zählende BAP-Chef wird, desto enger wird die Verbindung zu seinem Clan. So grüßt er zwei seiner Tanten, die irgendwo in der mit 13.000 Besuchern gefüllten Arena sind, die eine davon 98 Jahre alt. Seinem längst verstorbenen Vater widmet Niedecken mehrere Stücke, seiner Mutter, über die er zudem die eine oder andere Anekdote preisgibt, desgleichen.
 
Los geht es gleich rockig mit Drei Wünsch frei und dem Waschsalon vom zweiten Album. Wer aus einem Fundus von über fast vier Jahrzehnte erschienenen Alben auswählen kann, besitzt eine glänzende Ausgangsposition, um keinen Moment musikalische Langeweile aufkommen zu lassen. Das belegt die Band eindrucksvoll und routiniert. Man merkt schnell, dass BAP hier ein Heimspiel genießt. Das Publikum ist ausgesprochen textsicher, und die Musiker auf der Bühne werden frenetisch gefeiert. „Oh, wie ist das schön“, schallt es vieltausendstimmig durch die Halle. Kein Wunder, denn da vorn steht eine echte kölsche Legende.
 
Ich bekomme viele meiner Lieblingsstücke zu hören, viel von den Salzjebäck- und Usszeschnigge-Alben. Auch das spätere Nix wie bessher darf nicht fehlen. Überraschungen gibt es auch. Den Jebootsdaachpogo, von dem ich nicht weiß, ob ich ihn überhaupt jemals live erlebt habe, gibt es in einer Cajun-Version. Die dreiköpfige Bläsersektion, bestehend aus Trompeter, Posaunist und Saxophonist, stellt sich als echte Bereicherung heraus. Besonders positiv fällt das auf bei den Intros, die früher zu einigen Songs einfach dazugehörten, beispielsweise bei Diss Nach ess alles drin oder dem legendären Klassiker Jupp. Die Bläser reihen sich mühelos ein in die Riege großartiger Musiker, die Wolfgang Niedecken zur jüngsten Reinkarnation von BAP um sich geschart hat.
 
Zwischendurch kommt der Liedermacher Björn Heuser auf die Bühne, um mit Wolfgang Niedecken zusammen Wie schön dat wöhr anzustimmen. Ein Problem zog sich allerdings durch das gesamte Konzert, der Hall von der Rückseite der Halle, der bei manchen Stücken, besonders aber bei den Ansagen dazwischen auffiel. Ich habe schon oft von den Akustikproblemen in der KölnArena gehört, jetzt sind sie mir zum ersten Mal richtig aufgefallen.
 
Der Klasse des Konzerts tut das indes keinen Abbruch. BAP wird von Mal zu Mal besser, so war es auch diesmal. Gleich drei Zugabenteile mit jeweils mehreren Liedern gab es, dabei ganz zum Schluss endlich mal wieder Verdamp lang her als finaler Höhepunkt. Oder jedenfalls fast ganz zum Schluss. Dass sie danach nach gut drei Stunden nämlich noch Jraaduss spielten, schien die Musiker am Ende selbst überrascht zu haben.

Mittwoch, 17. Januar 2018

Der Coloniacon 23 ruft

Für den Ende September stattfindenden 23. Coloniacon hat Dieter Bohn ein neues Motiv entworfen. Zunächst einmal dient es als weitere Ankündigung. Ob es später aufs Cover des Programmbuchs kommen soll, ist mir nicht bekannt. Auf jeden Fall gefällt mir das Motiv richtig gut. Von der Erde ist nicht viel übriggeblieben, so scheint es, abgesehen vom Kölner Dom. Davor schwebt ein gewaltiges Hantelraumschiff, das ich für die Sol halte. Man könnte doch auch einmal die Point of verwenden, fällt mir in dem Kontext gerade ein. Müsste ich Dieter mal vorschlagen.




Mittwoch, 20. Dezember 2017

Märry Mählwurm

Auch in diesem Jahr präsentieren die Puppenspiele der Stadt Köln - im Volksmund Hänneschen-Theater genannt - wieder ein Weihnachtsmärchen für Groß und Klein, für Jung und Alt, und auch in diesem Jahr habe ich mir eine Vorstellung angesehen. Das ist schon Tradition. In der Geschichte "Märry Mehlwurm" mit den seit Generationen bekannten und beliebten Stockpuppen geht mit Katja Lavassas, Georg Lenzen und Stefan Mertens ein neues Autorentrio an den Start. Namensgeber der neuen Geschichte ist diesmal Mählwurms Pitter, der Gastwirt von Knollendorf.


Die Knollendorfer sind im Weihnachtsfieber, und (fast) jeder möchte den anderen mit seinen Lichterketten und der festlichen Beleuchtung übertreffen. Vor allem will man in diesem Wettstreit über die Nachbarorte triumphieren. Das geht so weit, dass Tünnes und Schäl sämtliche Weihnachtsbeleuchtung aus einem Nachbardorf stehlen, um die Konkurrenz auszuschalten.

Dieses für Knollendorfer Verhältnisse ungewöhnliche Verbrechen ruft den Polizisten Schnäuzerkowsky auf den Plan, den einzigen aus der bunten Truppe, der sich nicht der Kölschen Sprache bedient, sondern des Berlinerischen. Während sich Peter Mählwurm dem Konkurrenzdenken um die ausufernde Weihnachtsbeleuchtung entzieht und stattdessen auf Kaminfeuer und Kerzenlicht schwört, kappen Tünnes und Schäl unbeabsichtigt die Stromversorgung von Knollendorf und lösen ein veritables Durcheinander aus.

Währenddessen begeben sich die Kinder, allen voran Hänneschen und Bärbelchen, in den winterlichen Wald, um die Futterkrippen für die Tiere zu füllen. Dabei kommt es zu einer unerwarteten Begegnung. In gewisser Weise treffen sie nämlich auf Josef und eine schwangere Maria, die beide in einer ausgesprochenen Notlage stecken.

Natürlich wendet sich dank des Einsatzes der Kinder wieder alles zum Guten, und am Ende steht auf dem Marktplatz in Knollendorf ein wunderschön leuchtender Weihnachtsbaum, sodass die Puppen ein finales Weihnachtslied anstimmen können. Schön.

Montag, 4. Dezember 2017

Alles Gute, Peter Stöger

„Spürbar anders“ will man sein beim 1. FC Köln, und diese zwei Worte hat man sogar als eingängigen Slogan auserkoren. Was darunter zu verstehen ist, sei dahingestellt, aber zumindest klingt der Slogan gut, und er lässt eine Menge Raum für Interpretationen. Im Grunde kann sich jeder darunter vorstellen, was ihm sympathisch ist, und somit ist er natürlich ein gewitztes Wortkonstrukt, auf das sich alle einigen können.
 
Doch was ist so spürbar anders, wenn man die letzten Wochen und besonders die letzten Tage in den Befindlichkeiten des 1. FC Köln und die Vorstandsposse um Trainer Peter Stöger betrachtet? Das Trauerspiel ist vorbei, die hoffnungslos überforderten und sich zuletzt einfach nur noch dilettantisch aufführenden Verantwortlichen in der Clubspitze des FC haben einen Schlussstrich gezogen und Peter Stöger entlassen. Obwohl, von einem Schlussstrich kann keine Rede sein, wenn man sich ansieht, was seit der Trennung in den sozialen Netzwerken los ist. Mehr denn vielleicht je zuvor demonstrieren die Fans des FC den Schulterschluss mit dem beliebten Stöger.
 
Fußballfans haben ein feines Gespür für Gerechtigkeit im Fußball, das beweisen die Ereignisse um Peter Stöger eindringlich. Der Fußballlehrer aus Wien hat in seiner viereinhalbjährigen Tätigkeit für den FC das nach Köln zurückgeholt, was man in der Domstadt kaum noch kannte, nämlich den Erfolg. Er führte die Mannschaft aus der 2. Liga nicht nur in die Bundesliga, sondern in der vergangenen Saison sogar – und das kann man guten Gewissens als sensationell bezeichnen – nach Europa. Internationale Begegnungen gab es hier seit fünfundzwanzig Jahren nicht mehr – und wird es vermutlich im nächsten Vierteljahrhundert nicht mehr geben.
 
Für den Absturz in dieser Saison kann Peter Stöger meiner Meinung nach nur wenig, und das sehe nicht nur ich so. Mit dem vorhandenen Spielermaterial kann Stöger weder diverse Ausfälle ersetzen, darunter langzeitverletzte Leistungsträger wie Marcel Risse oder Jonas Hector, noch kann er den Ball selbst ins gegnerische Tor tragen. Dafür sind andere zuständig, allen voran ein bislang glänzend gescheiterter und hinter sämtlichen Erwartungen zurückbleibender Jhon Cordoba. Der Siebzehn-Millionen-Einkauf geht wie weitere Neuverpflichtungen, die die an sie gestellten Erwartungen nicht erfüllen konnten, auf die Kappe von Jörg Schmadtke. Ende November brachte FC-Torwart Timo Horn es mit den Worten „Der Trainer ist die ärmste Sau“ auf den Punkt.
 
Denn Peter Stöger tat, was in seiner Macht stand, um mit der Mannschaft aus der verfahrenen Lage heraus- und vom Tabellenende wegzukommen. Er lebte den FC, das merkte man ihm an, und er scheute nicht davor zurück, sich vor die Jungs zu stellen und als Blitzableiter zu dienen. In der Außendarstellung war er der Einzige, den man ernst nehmen konnte. Der Vorstand versteckte sich stets hinter seinem (und früher auch hinter Schmadtkes) Rücken. Peter Stöger ist eloquent, charmant und – menschlich, was man in seinem Umgang mit anderen merkte und was im kalten Fußballgeschäft leider viel zu selten vorkommt. Zudem hat mich sein Wiener Schmäh zu so manchem Schmunzeln hingerissen.

Ich habe oft mitbekommen, dass er Köln und dass die Kölner Fans ihn ins Herz geschlossen haben. Und natürlich, das Wichtigste bei alledem, er versah seinen Trainerjob beim FC bis zuletzt mit Leidenschaft. Er tat es mit Herzblut und mit Hingabe, bis zum Tag der größten Instinktlosigkeit des Vorstands überhaupt, nämlich Peter Stöger nach einem nicht nur höchst respektablen, sondern zudem verdienten 2:2 Unentschieden auf Schalke zu entlassen.
 
„Spürbar anders“ will man also sein beim FC, doch leider ist dieses Motto zur Phrase verkommen. Spürbar anders wäre man gewesen, hätte man ein wenig mehr Mut bewiesen und Peter Stöger ohne Wenn und Aber die Chance gegeben, doch noch da unten rauszukommen. Hätte es nicht geklappt, wäre man mit ihm in die 2. Liga gegangen, aus der er den FC schon einmal nach oben führte. Ich hätte diesen Weg voll und ganz unterstützt, und viele andere auch, wie ich persönlichen Gesprächen und unzähligen öffentlichen Kommentaren entnehme.

Ich bin enttäuscht und sauer über die Entscheidung des Vorstands. Ich hätte Peter Stöger gewünscht, hier weitermachen zu dürfen. Ich wünsche ihm alles Gute und bin sicher, dass man ihn schon bald auf einer anderen Fußballbühne wiedersehen wird.

Montag, 20. November 2017

30 Jahre Rockpalast-Fete

Das war mal ein runder Geburtstag am Samstag für die alljährlich stattfindende Rockpalast-Fete. Seit sage und schreibe dreißig Jahren veranstalten ein paar nimmermüde Musikenthusiasten die private Party im alten Fort im Friedenspark in der Kölner Südstadt. Ich weiß nicht mehr, wann ich zum ersten Mal daran teilgenommen habe, aber lang ist's her.

Wie immer gab es am Eingang ein Kölschglas, das zum einen als Eintrittskarte und zum anderen für die eigene Getränkeversorgung dient. Denn gezapft wird selbst. An mehreren Stellen in dem Gewölbe stehen Fässer, an denen man sich bedienen kann, ebenso wie an antialkoholischen Getränken und verschiedenen Eintöpfen. All das die ganze Nacht hindurch für 15 Euro. Wer da noch meckert, dem ist nicht zu helfen - tut aber auch keiner. Die Räumlichkeiten müssen auch bezahlt werden, und dennoch schaffen es die Veranstalter meistens, einen kleinen Überschuss zu erwirtschaften, der wohltätigen Zwecken zugute kommt. Kein Cent geht in die eigene Tasche.

Das Kölschglas, längst Kultobjekt in Sammlerkreisen, wird jedes Jahr von einem anderen Motiv aus der Musikszene geschmückt. Diesmal war es das Cover von Nirvanas Nevermind-Album, nachempfunden von meinem alten Kumpel Mathias, der auch für den graphischen Bereich bei BAP zuständig ist. Drinnen hingen nebst dem großen Rockpalast-Banner diverse Plakate von Rockpalast-Konzerten der vergangenen Dekaden.

In diesem Jahr füllte sich das Gewölbe besonders schnell. Dreihundert Besucher, so schätze ich, fanden sich ein. Der Besucherstrom überraschte selbst die Veranstalter ein bisschen. Schon lange vor Mitternacht waren die 240 aktuellen Kölschgläser vergriffen, und eiligst musste Nachschub herangeschafft werden. Das geschah in Form von Gläsern mit Motiven der vergangenen Jahre. Das klappte vorzüglich, genau wie die Kölschversorgung.

Im Mittelpunkt der Rockpalast-Fete stand natürlich wie immer die Musik, ordentliche handgemachte Rockmusik, bei der durchgängig getanzt werden kann. Das ging von David Bowie bis zu Iron Maiden, von Patti Smith bis zu Pearl Jam, von Bruce Springsteen bis zu den Ramones. Einige Stücke trieben mich sogar auf die Tanzfläche. Deep Purple und AC/DC waren es, Rainbow und Judas Priest. Schnell klatschnass, merkte ich, dass ich das nicht mehr gewohnt bin. Spaß gemacht hat es trotzdem.

Neben der tollen Musik freute mich über das Wiedersehen mit alten Bekannten, die ich genau einmal im Jahr treffe, nämlich zu diesem Anlass. Es gab einige große Hallos und so manchen Verzäll. Die Stunden vergingen wie im Flug, und in den frühen Morgenstunden verabschiedete ich mich von einer einmal mehr tollen Rockpalast-Fete. Mit der Hoffnung, niemanden zu vergessen, bedanke ich mich bei den Veranstaltern Uwe, Britta, Michael, Clark und Harry.

Der Termin für die nächste Rockpalast-Fete, dann wieder am gleichen Veranstaltungsort, steht übrigens schon fest: 17. November 2018. Bis dahin!

Mittwoch, 4. Oktober 2017

Der Stammtisch und die Coloniacon-Organisatoren


Der Coloniacon, oh ja, der Coloniacon, eine meine Herzensangelegenheiten. Er zieht sich seit dreieinhalb Dekaden durch mein Leben und wird sicherlich immer ein wichtiger und mir liebgewonnener Faktor in selbigem bleiben. 1982 war ich mit dabei, als ein paar Kölner Jungs ihn aus der Taufe hoben. Viele Jahre, ach was, Jahrzehnte lang war ich von Anfang an als Mitveranstalter dabei. 2014 zogen Ralf Zimmermann und ich uns dann aus dem Veranstalterteam zurück und übergaben den Staffel an Daniel von Euw und Bernd Robker. Genug ist genug, dachten wir uns.

Daniel und Bernd übernahmen und brachten einen glänzenden Coloniacon 2016 über die Bühne. Danach allerdings zog sich Bernd aus zeitlichen Gründen wieder zurück. Diese Entscheidung kann und wird ihm sicher niemand vorwerfen, der gedanklich auch nur ein wenig in derlei Abläufe involviert ist. Wer jemals eine solche oder eine ähnliche Veranstaltung wie den Coloniacon als Organisator mitveranstaltet hat, der weiß, wie viel Zeit das in Anspruch nimmt. In den Stunden und Tagen, die man für den reibungslosen Ablauf eines gelungenen Cons investiert, könnte man eine Menge anderer Dinge tun - einen Roman schreiben beispielsweise.

Vergangenes Wochenende schaute ich mal wieder - Notiz und Vorwurf an mich selbst: Das habe ich viel zu lange nicht getan! - beim Kölner Stammtisch vorbei. Ich habe mich wirklich gefreut, die Jungs zu sehen. Wie schnell es gehen kann, dass das nicht mehr möglich ist, sieht man am unerwarteten Tod unseres alten Stammtischlers Helmut, über den selbstverständlich die Rede war.

Wie es nun mal nach ein paar Kölsch so geht, plötzlich gehörte ich dann, wie Ralf Zimmermann schon seit geraumer Weile, wieder dem Organisationsteam für den nächsten Coloniacon an. Sicherlich wird sich mein Engagement in Grenzen halten, sich also auf den Con selbst, auf die Arbeit vor Ort im Jugendpark und auf die unmittelbare Vorbereitung wie Contüten packen etc. beschränken. Nichtsdestotrotz finde ich es schön, wieder dabei zu sein. Die Hauptlast des Coloniacon 2018 wird jedenfalls auf den Schultern von Daniel von Euw liegen.

https://www.coloniacon.de/orga-Team

Sonntag, 24. September 2017

Coloniacon-Termin 2018 steht fest

Wer hätte das gedacht 1982, als wir unseren ersten Coloniacon angingen? Schließlich war er ursprünglich als einmalige Veranstaltung gedacht. Hätte jemand die verwegene Zukunftsvision gewagt, dass unser Con eines fernen Tages im Jahre 2018 in die 23. Runde gehen würde, hätten wir denjenigen sicher für verrückt erklärt.


Und doch ist es so, was wieder einmal beweist, dass man im Nachhinein immer schlauer ist. Denn der Termin für den kommenden Coloniacon im nächsten Jahr steht nun fest. Er wird am 29. und 30. September 2018 über die Bühne gehen, natürlich wieder im Jugendpark in Köln-Deutz, gleich am Rheinufer gelegen. Dass ich mich jetzt schon darauf freue, brauche ich wohl nicht zu erwähnen.

Donnerstag, 21. September 2017

Kölner Urgestein Helmut Freisinger verstorben

Vorhin teilte mir ein gemeinsamer Bekannter mit, dass der Kölner Tausendsassa Helmut Freisinger gestorben ist. Ich musste erst einmal schlucken und dann nachfragen, denn diese schlechte Nachricht überraschte mich doch sehr. Ich kannte Helmut schon so lange, dass ich mich nicht daran erinnern kann, wann und wo wir uns kennengelernt haben. Natürlich stand es in Zusammenhang mit der Kölner SF-Szene. Gut möglich, dass unsere ersten Begegnungen beim Kölner SF-Stammtisch stattfanden. Es ist sogar sehr wahrscheinlich. Er war Perry Rhodan-Leser, SF-Fan und Sammler.

Und natürlich begeisterter Congänger. Für mich ist Helmut nicht nur ein Coloniacon-Urgestein, er besuchte in den letzten Dekaden auch alle möglichen Cons in ganz Deutschland. Ich weiß nicht, wie oft wir auf solchen Veranstaltungen oder auch auf der Intercomic das eine oder andere Bier zusammen tranken. Es waren nicht wenige. An eine Begebenheit, die zehn oder mehr Jahre zurückliegt, muss ich immer wieder zurückdenken. Sie dürfte sich beim Garching-Con zugetragen haben oder beim Austria-Con in Wien.

Zu unserem Hotel gehörte ein Kelleretablissement, eine Mischung aus Kneipe und Disco, wo wir nachts mit weiteren Con-Besuchern einkehrten. Der Laden war leidlich gut besucht, und wie üblich sprachen wir dem Bier ebenfalls leidlich gut zu. Es lief schreckliche Musik der Art aus den aktuellen Charts. Das überwiegend jüngere Publikum stand um die Tanzfläche herum, getanzt hat niemand. Nach einer Weile konnte Helmut als alter Rockmusikfan das Gedudel nicht mehr ertragen. In seiner unbekümmerten, offenherzigen Art fragte er den DJ, ob dieser nicht etwas anderes spielen könne. Nach einem kurzen Gespräch liefen plötzlich die Rolling Stones und danach nur noch Rockmusik. Plötzlich stand Helmut ganz allein mitten auf der Tanzfläche, umgeben von jungen Leuten, die den alten Mann verwundert beäugten. Helmut wäre nicht Helmut, hätte er sich davon abschrecken lassen. Im Gegenteil, in charmanter Weise animierte er das junge Publikum, das sich wenig später geschlossen auf der Tanzfläche austobte.


Helmut und ich auf dem Perry Rhodan Weltcon 2011
Beinahe wäre Helmut selbst zum Berufsmusiker geworden. Die legendäre und bis heute aktive Kölner Mundartband Bläck Fööss ging 1970 aus mehreren schon in den Sechziger Jahren aktiven Bands hervor. Eine davon waren die Beat Stones, in der nicht nur der heute immer noch bei den Fööss aktive Erry Stoklosa spielte, sondern eben auch Helmut Freisinger. Unter dem Künstlernamen Misery spielte er die Sologitarre. Helmut erzählte mir einmal scherzhaft, die anderen hätten sich dazu entschieden, Musiker zu werden, er selbst sei hingegen Perry Rhodan-Leser geworden. Tatsächlich stieg er jedoch bei den Beat Stones aus, um sich auf den vor ihm liegenden bürgerlichen Beruf zu konzentrieren.

Helmut gehörte zur Nachkriegsgeneration, er wurde in den späten Vierziger Jahren geboren. Wann genau, ist mir nicht bekannt. Seiner Leidenschaft, Cons, den Stammtisch und die Intercomic zu besuchen, frönte er schließlich auch als Rentner noch. Seit einer Weile machte er sich allerdings rar. Ein paar Molesten machten ihm zu schaffen, vor allem aber konnte er seine schwerkranke Frau, die ständiger Pflege bedurfte, nicht mehr allein lassen.

Nach Winfried Brand ist mit Helmut Freisinger der zweite ehemaliger Stammtischler von uns gegangen. Ich hoffe, die beiden können irgendwo zusammen ein Bier trinken. Mir sin uns widder, leeve Jung.


Helmut "Misery" Freisinger (4. von links.), Graham Bonney und die Bläck Fööss.

 

Samstag, 29. Juli 2017

Das Underground schließt seine Pforten

Wenn das Underground im September schließen muss, geht wahrlich eine Ära zu Ende. Der Club und Veranstaltungsort in Köln-Ehrenfeld wurde 1988 eröffnet. Er besteht aus einer Kneipe mit zwei angrenzenden Sälen und einem Biergarten für die Sommermonate. Anscheinend wurden die Betreiber von der raschen Entwicklung überrollt. Ihre Pläne, zum dreißigjährigen Jubiläum im Januar eine große Abschiedsparty auf die Beine zu stellen, können sie nicht mehr verwirklichen. Die Stadt Köln will auf dem ehemaligen Industriegelände eine inklusive Universitätsschule errichten. Der Betrieb des Undergrounds endet auf städtische Anordnung Mitte September.
 
Mit seinen Wochenendparties und seinen Konzerten genießt das Underground einen guten Ruf weit über Kölns Stadtgrenzen hinaus. Die dort gespielte Musik war meist nach meinem Geschmack: Rock, Rock'n'Roll, Heavy Metal und Punk. Viele heute international bekannte Bands und Künstler standen im Underground auf der Bühne, bevor ihre Karriere so richtig in Schwung kam, so beispielsweise Green Day, die heutzutage Stadien füllen.
 
Anfang der Neunziger Jahre habe ich ein paar Mal im Underground gesessen und zwei oder drei Konzerte gesehen. Ich glaube mich zu erinnern, dass Brings dazu gehörte. Brings, 1990 gegründet und damals nach eine richtige Rockband, bevor sie zehn Jahre später mit fliegenden Fahnen zur Stimmungs- und Karnevalsmusik überliefen, spielten dort, noch bevor sie ihr erstes Album veröffentlichten. Wen ich sonst noch dort sah, weiß ich gar nicht mehr. Auf jeden Fall ist die Zeit des Underground abgelaufen. Das finde ich schade.

Montag, 3. April 2017

Kölner Szenewirt Clemens Böll gestorben

Wenn in Zusammenhang mit Köln der Name Böll fällt, denkt man unwillkürlich an Literaturnobelpreisträger Heinrich Böll. Doch auch dessen Neffe ist eine stadtbekannte Kölner Persönlichkeit. Clemens Böll hat sich über rund vier Dekaden einen Namen in der Kölner Kneipenszene gemacht.

Bekannte Namen haben die Läden, an deren Eröffnung er beteiligt war oder die er bewirtete, beispielsweise das Alcazar, das Tingel Tangel und am Barbarossaplatz der Rockschuppen Luxor. Und natürlich das Chlodwig-Eck, für mich ganz besonders das Chlodwig-Eck, nur einen Steinwurf entfernt vom Chlodwigplatz am Eingang zur Annostraße gelegen, gleich neben dem dortigen Obdachlosenasyl und mit Blick aufs Severinstor.

Ich lernte das Chlodwig-Eck in den frühen Achtziger Jahren kennen. Wenige Fußminuten weiter, im Humboldt-Gymnasium, kämpfte ich mich durch meine Oberstufenzeit. Statt dem Unterrichtsstoff zu folgen, begab ich mich oft genug schon vormittags ins Chlodwig-Eck, mit T. und O., und wir hingen dort ab, weil auch die BAP-Musiker zu Beginn ihrer Karriere dort ihr Wohnzimmer aufgeschlagen hatten.

Sicher hat uns Clemens damals so manches Kölsch serviert, wenn ich auch gestehen muss, mich heute nicht mehr an ihn hinter der Theke erinnern zu können. Nun ist Clemens Böll im Alter von 71 Jahren gestorben. Mit ihm geht ein Stück Kölner Kneipenkultur, obwohl das Chlodwig-Eck schon lange ohne ihn weiterbesteht. In Köln wurde schon zu Clemens Bölls Lebzeiten ein Bier nach ihm benannt, das Böll-Bier.

Sonntag, 12. Februar 2017

Kölsche Mundart mit dem Drei Mann Quartett

Kölsch wie auch andere regionale Mundarten wird immer weniger gesprochen, heißt es – und immer weniger gesprochen werden. Es sei abzusehen, dass die Dialekte aussterben. Bin ich in Köln in den Veedeln unterwegs, in der Straßenbahn oder selbst in kölschen Kneipen, fällt mir auf, dass die Behauptung stimmt. Oder zumindest bilde ich mir das ein. Kölsch sprechen überwiegend noch die alten Kölner.
 
Anders ist das im Karneval, wo die kölsche Sprache aus dem Liedgut nicht wegzudenken ist. Zu den Gruppen, die dort seit Jahrzehnten auftreten (Bläck Fööss, Höhner, Paveier, Räuber), gesellten und gesellen sich alljährlich neue Bands (wie beispielsweise die Klüngelköpp, Kasalla, Cat Balou, Die Domstürmer). Leider bekommt man sowohl von den Alteingesessenen als auch den Neuen in ihren Liedern kaum einmal mehr richtig schöne Geschichten erzählt, so wie es vor allem die Bläck Fööss in den Siebziger Jahren machten. Natürlich bestätigen Ausnahmen die Regel, aber überwiegend muss für jede Session eine neue Hymne her, die auch der letzte Depp noch mit drei Promille mitgrölen kann.
 
Glücklicherweise gibt es – abseits der großen Bühnen und zumeist unbeachtet seitens eines feierwütigen Publikums – Musiker, die sich der kölschen Mundart und den alten Texten verschrieben haben. Sie pflegen sie bei ihren Auftritten mit Begeisterung und erhalten sie am Leben. Zunächst fiel mir das vor ein paar Jahren bei der Familich auf, auch bei Philipp Oebel und vor geraumer Zeit bei Peter Schmitz-Hellwing. Und jetzt lernte ich eine Band kennen, von der ich bis dato noch nie etwas gehört hatte. Noch dazu geschah das, nachdem mir ein Flyer in die Hand gefallen war, nicht in Köln, sondern in der mittelalterlichen Burg Mauel im Windecker Ländchen.
 
Um ein Trio handelt es sich, das den im ersten Moment merkwürdig anmutenden Namen Drei Mann Quartett trägt. Verständlich wird er, wenn man erfährt, dass das Publikum als der vierte Mann (oder die vierte Frau) gilt. Dass das dreiköpfige Quartett bislang an mir vorbeiging, wundert mich, spielen die Jungs doch bereits seit einigen Jahren zusammen. Freddie Böhmer und Martin Hark spielen akustische Gitarre, Reinhold Schreiber zupft den E-Bass, jedoch kommen im Laufe des Konzerts auch weitere Instrumente wie beispielsweise die durch Hans Süper bekannt gewordene Flitsch zum Einsatz. Das Bild oben habe ich von Facebook entliehen, dort ist das Drei Mann Quartett präsent.
 
Der Gewölbesaal der Burg Mauel bot einen schönen Rahmen für den Auftritt. Wie lang mag er gewesen sein (der Auftritt, nicht der Gewölbesaal)? Zwei Stunden bestimmt, ich habe nicht auf die Uhr geschaut. Wozu auch, denn die Zeit verging wie im Flug. Die Musiker konzentrierten sich auf Klassiker der kölschen Mundart wie Willi Ostermanns (1876 – 1936) Die Mösch und Kutt erop! oder Karl Berbuers (1900 – 1977) Heidewitzka, Herr Kapitän sowie das von Hans Knipp (1944 – 2011) komponierte und von Horst Muys (1925 – 1970) bekannt gemachte Ne Besuch em Zoo. Alles wohlklingende Namen von Komponisten, Textdichtern und Krätzchensängern. Diese klassischen Mundartlieder ließen sich damals durchaus dem Karneval zurechnen, gehen für mich aber viel weiter. Häufig liefern sie Alltagsbeobachtungen in musikalisch aufbereiteter Form, worin besonders Willi Ostermann ein Meister war. Ich bin ne kölsche Jung von Fritz Weber (1909 – 1984) kam ebenso zu Ehren wie De Pänz sin us dem Hus und weitere Stücke der Bläck Fööss, kein Wunder, gelten zahlreiche Leeder der Mutter aller kölschen Bands selbst längst als Klassiker. Noch viel mehr gab es, und manches kannte ich gar nicht.
 
Freddie Böhmer, Martin Hark und Reinhold Schreiber singen alle. Jeder der drei hat offenbar seine persönlichen Lieblingsstücke, und mit entsprechender Hingabe werden sie vorgetragen. Man merkt den Musikern ihre Freude beim Vortrag an, was noch unterstrichen wird durch die launigen Ansagen und die kleinen Verzällcher zwischen den einzelnen Stücken. Dank Musikern wie dem Drei Mann Quartett leben solche musikalischen Perlen in kölscher Mundart weiter, was aller Ehren wert ist und nicht genug anerkannt werden kann. Es war ein herrliches Konzert, und das dreiköpfige Quartett wird mich wiedersehen. So kündigten die Musiker bereits an, im kommenden August, und dann unter freiem Himmel, erneut in der Burg Mauel aufzutreten. Dann fahre ich wieder hin. Also, heißer Tip für alle Freunde von Krätzchen und kölschen Mundart-Evergreens: das Drei Mann Quartett!

Samstag, 24. Dezember 2016

Drei Krune för et Chressfess

Wie alle Jahre wieder habe ich auch diesmal die Weihnachtssitzung des Hänneschen-Theaters besucht, des Kölner Puppenspieltheaters. „Drei Krune för et Chressfess“ lautet der Titel der diesjährigen Aufführung. Auf Hochdeutsch heißt das „Drei Kronen für das Christfest“.
 
Denn um drei Kronen geht es unter anderem in dem Stück, und zwar um keine geringeren Kronen als jene der Heiligen drei Könige. Die Vorstellung läuft über vier Aufzüge und bedient sich dabei drei verschiedener Bühnenbilder. Los geht es in Schäls Trödelladen, dann folgt das Stadtbild von Knollendorf, danach der Dreikönigsschrein im Kölner Dom und schließlich wieder Schäls Laden. Für diejenigen, die es nicht wissen: Knollendorf ist natürlich nichts anderes als das alte Köln.
 
Als Kind war das kleine Hänneschen meine Lieblingsfigur, doch längst schon ist es der Schäl. Das wiederum bedeutet Scheel, weil der Kerl schielt. Schäl spielt meistens die Rolle des fiesen Burschen, der jedoch im Laufe der Handlung geläutert wird. So auch in diesem Fall. Der Geizkragen führt ein kleines Geschäft, in dem er seinen Kunden Ramsch als wertvolle Antiquitäten verkauft und seine Angestellten Tünnes und Speimanes ausbeutet. Den beiden armen Kerlen untersagt er, Feierabend zu machen, weil noch so viel zu tun sei. Dabei möchten der Tünnes und der Manes schnellstmöglich nach Hause, weil Weihnachten ist.
 
Schäl indes hat mit Weihnachten nichts am Hut. Er verabscheut das Fest geradezu. Später wird sich der Grund herausstellen. Als er ein kleiner Junge war, starb seine Mutter ausgerechnet an Heiligabend, und so sieht er den Totenkarren immer noch an sich vorbeiziehen. Die Aufklärung dieses Hintergrunds erschließt sich den Zuschauern in Form eines Zeitsprungs in die Vergangenheit. Man kann also glatt von einer Science Fiction-Geschichte sprechen.
 
Im weiteren Verlauf der Handlung kommt es zu einer Reihe von Irrungen und Wirrungen, die dazu führen, Schäl auf den rechten Weg zu bringen. Er erleidet einen Herzanfall, bekommt von seinem Arzt eine düstere Prognose gestellt und verkracht sich mit anderen Knollendorfern. Das passt den beiden Kindern Hänneschen und Bärbelchen gar nicht, weil sie sich auf ein friedliches Weihnachtsfest freuen. Wie immer sind vor allem sie es, die wichtige Beiträge zum Zustandekommen des glücklichen Endes leisten.
 
Doch diesmal erhalten sie unerwartete Unterstützung von drei Stadtstreichern, jeder mit einer eigenen kleinen Geschichte und mit einer wertvollen Gabe im Gepäck. Diese Schätze erlangen ihren Wert aber nur, wenn sie mit drei zugehörigen Kronen in Verbindung gebracht werden. Man ahnt es bereits, es handelt sich um die Kronen der heiligen drei Könige. Irgendwann begreift der verbiesterte Schäl, dass es seine Bestimmung ist, die drei Kronen an den Ort zu bringen, an den sie gehören, nämlich eben zum Dreikönigenschrein im Kölner Dom.
 
Dieses Bühnenbild war für mich das Schönste. Obwohl ich die Stadtansicht von Knollendorf mag, kam der wundervoll präsentierte Schrein besonders beeindruckend rüber. Das lag vermutlich an seiner exaltierten Darstellung inmitten ansonsten reduziert arrangierten optischen Beiwerks.
 
Als sich die Kronen wieder an ihrem angestammten Platz befinden, geht Schäl das Herz auf, und der Weihnachtshasser begreift endgültig den Sinn des Weihnachtsfestes, was sich dann im vierten Aufzug zeigt. In seinem Trödelladen steht nicht nur ein prächtig geschmückter Baum, der bekehrte Schäl spendiert zudem den ungläubigen Tünnes und Speimanes eine Gratifikation und zudem eine Gehaltserhöhung. Bevor am Ende der Vorhang fällt, singen diese und alle anderen in der Handlung auftauchenden Puppen gemeinsam mit den Zuschauern ein Weihnachtslied.
 
Ich hatte Spaß an der Geschichte, auch wenn sie natürlich nach einem vertrauten Muster gestrickt und stellenweise vorhersehbar ist. Doch man muss bedenken, dass es sich um eine Aufführung für Kinder handelt, wenn von diesen auch nur wenige unter den zahlreichen Erwachsenen vertreten waren. Das fiel mir noch nie so sehr auf wie in diesem Jahr.
 
Einen erhobenen Zeigefinger gibt es übrigens nicht, auch wenn das an der einen oder anderen Stelle in diesem Text so klingen mag. Dafür kommt die Geschichte viel zu locker und humorig rüber und ist garniert mit zahlreichen kleinen Gags, die für Gelächter sorgten. Es wird Zeit, dass ich mir mal eine Hänneschen-Aufführung außerhalb des Karnevals- und des Weihnachtsprogramms ansehe. Was läge da näher, als mich im kommenden Frühjahr für Schälock Holmes zu entscheiden? Der Schäl als Sherlock Holmes? Das stelle ich mir jetzt schon köstlich vor.

Mittwoch, 10. August 2016

Ne kölsche Jung hürt op

Er heißt Hans-Dieter, alle nennen ihn H.D., und er selbst stellt sich in seinem Brauhaus immer als der kölsche Jung vor. Oder besser: er stellte sich so vor – denn damit ist es nach mehr als einer Dekade nun vorbei.

Vor über elf Jahren hängte H.D., damals sechzigjährig, seinen bürgerlichen Beruf an den Nagel. Finanziell konnte er sich nicht beklagen, deshalb brauchte er nicht weiterzumachen. Stattdessen tat er das, wovon er sein Leben lang geträumt hatte. Einmal ein eigenes Brauhaus führen, und zwar so, wie es ihm vorschwebte, urkölsch, gemütlich, mit traditioneller Atmosphäre, leckerer Küche, kölscher Musik und natürlich kaltem Kölsch. Ein Jahr wollte er es auf jeden Fall machen, maximal fünf - es wurden mehr.

Das Haus Schulz am Barbarossaplatz erwies sich dabei als Glücksgriff. Es ist alteingesessen, liegt mitten im Veedel und mitten im Leben. Zudem war es brauereifrei, H.D. konnte also ausschenken, was er wollte. Das machte er sich zunutze, indem er – was es in Köln nur extrem selten gibt – gleich zwei Kölschsorten anbot, nämlich das lieblichere Reissdorf und das herbere Gaffel. Diese Politik wurde gut angenommen. Betrat man die Schänke, sah man auf Theke und Tischen immer Kölschstangen sowohl mit rotem (Reissdorf) als auch mit blauem (Gaffel) Emblem stehen.

Ich ging gern hin und wieder dorthin, denn die Atmosphäre war schön, die Leute angenehm, und H.D. grundsätzlich gut aufgelegt und einem Schwätzchen an der Theke nie abgeneigt. Oft genug kam es vor, dass man, bevor man das erste Kölsch bestellte, schon ein Mini vor sich stehen hatte. „Ein Stößchen aufs Haus zur Geschmackskontrolle“, pflegte H.D. dann zu sagen.
Fast immer lief kölsche Musik, und wenn die Stimmung ausgelassen war, setzte H.D. sich sein Hütchen auf, nahm seine Quetsch von der Ablage und ging musizierend und singend im Laden auf und ab. Die Gäste waren begeistert. Und schnell wurde mitgesungen. Zu seinen Stammgästen gehörten musikalische Legenden wie Ludwig Sebus und Hans Süper.
Nun, im Alter von 71 und nach über elf Jahren in seinem Laden, in dem er sich seinen Lebenstraum verwirklicht hat, hat sich der H.D. endlich aufs Altersruheteil zurückgezogen. Es war eine schöne Zeit mit ihm im Veedel, und seine Gäste werden ihn vermissen. Mach et jot, leeven Hans-Dieter, und genieße dein Leben. Du hast dir deinen Ruhestand wohlverdient.

Donnerstag, 7. April 2016

Über den Eigelstein ins Agnesviertel

Ein erster Sonnentag in Köln, da konnte ich gar nicht anders, als ein wenig durch die Stadt zu spazieren. Ich hatte richtig Lust, mir das am Himmel stehende gelbe Ding auf den Pelz brennen zu lassen. Von »brennen« konnte allerdings nur bedingt die Rede sein. Solange die Sonne sichtbar im Himmel stand, war es angenehm warm, und ich konnte die Jacke schultern. Sobald sich jedoch Wolken vor unser Zentralgestirn schoben, wurde es gleich empfindlich kälter. Daher also: Jacke aus, Jacke an, Jacke wieder aus und so weiter.
 
Ich war lange nicht mehr im Agnesviertel, fiel mir ein, also schlenderte ich, vom Dom kommend, über den neugestalteten Breslauer Platz und anschließend den Eigelstein entlang. Noch ist dort die Gaffel-Brauerei ansässig, doch die zieht bald an einen anderen Standort, und das Gelände wird frei. Es hat sich, so las ich dieser Tage, bereits irgendeine Gruppe unter den Nagel gerissen. Ich gehe davon aus, dass auf dem Areal ein weiteres Hotel entsteht. Noch mehr Hotels braucht Köln ja wesentlich dringender als bezahlbare Wohnungen.
 
Am vorderen Teil der urkölschen Meile Eigelstein standen ein paar leichte Mädels in der Tür – schwere Junge habe ich hier schon lange keine mehr gesehen. Der Kiosk, den mal ein Bekannter von mir, ein ehemaliger Bauhaus-Kollege, betrieb, ist längst von einem Türken übernommen worden. Vor dem Weinhaus Vogel standen die Män mit ihrem Kölsch in der Hand, einheimische Schnäuzer und bunte Touristen. Am Kölsche Boor ging ich vorbei, ohne dass mir überhaupt irgendwer auffiel – was mir wiederum erst später auffiel. Unter dem Eigelsteintor schritt ich beinahe ergriffen hindurch, so wie immer, wenn ich durch eins der vier erhaltenen Stadttore gehe. Irgendwie liegt da immer besonders viel Stadtgeschichte in der Luft. Zumindest bilde ich mir das ein.
 
Dort, wo der Eigelstein zu Ende ist und man in früheren Zeit die Stadt verließ, empfing mich der Ebertplatz mit seiner Hektik, seinem Verkehrslärm, seiner unansehnlichen Optik und seiner seit Jahren defekten Rolltreppe. Schade, dass dort nichts zum Verweilen einlädt, gleichwohl im Rat seit Jahren Umgestaltungspläne mit mehr Grün und ebenerdiger Fußgängerführung gewälzt werden. Ich lief die Treppe hinunter, quer über den kahlen Platz mit seinen vermutlich seit Jahrzehnten leerstehenden Pavillons und den Zufluchtsnischen für Obdachlose, mit den trostlosen, verwinkelten Gängen und dem Brunnen, den ich schon als Kind hässlich fand, und auf der anderen Seite die Stufen wieder hinauf.
 
Vor mir lag die Neusser Straße, das Agnesviertel. Auch dort geht es laut und hektisch zu, doch es ist der Puls des Lebens, der Menschen, die im Veedel wohnen und einkaufen, nicht der Lärm des Verkehrs. Ich schlenderte die Neusser hinunter Richtung Agneskirche, die dem Viertel einst seinen Namen verlieh, und dachte wie gewöhnlich an diesem Ort an meine vor zwölf Jahren verstorbene Oma Agnes. Die Sonne schien wieder, ungetrübt von Wolken, und meine Jacke hing über der Schulter. Nach hundertfünfzig Metern schallte mir eine Stimme entgegen, mein Name wurde gerufen. Ich entdeckte einen grinsenden Uwe, der sich an einem Tisch vor dem Balthasar flegelte und mir hektisch zuwinkte.
 
Schönes Zusammentreffen, ja, wirklich! Uwe hatte ich lange nicht gesehen. Ich ließ mich an seinem Tisch nieder und bestellte ein Kölsch. Uwe ist Gastronom, Musiker und Karnevalsjeck in Personalunion. Wir badeten in der Sonne und plauderten übers Griechenmarktviertel, aus dem wir uns kennen, übers Reissdorf Brauhaus, in dem er mal gearbeitet hat, und über diesen und jenen gemeinsamen Bekannten. Wir man das nun mal so macht. Da das Auge bekanntlich mitisst, genoss ich bei unserem Verzällchen einen kulinarischen Leckerbissen: zu meiner Rechten erhob sich das Eigelsteintor in seiner historischen Bedeutsamkeit, ohne dass ich den kahlen Platz davor zu Gesicht bekam, und zu meiner Linken wuchs die altehrwürdige Agneskirche dem Himmel entgegen.
 
Erst nach einer Viertelstunde bekam ich mit, dass aus dem Balthasar Musik auf die Straße drang. Als ich bewusst hinhörte, erkannte ich die Stimme auf Anhieb. Sie gehörte Holger Landrock, in Köln auch bekannt als »The Voice of Joe Cocker«. Denn Holgers Röhre klingt verdammt nach Joe Cocker. Mit seiner One Man Show, bei der kaum eine Minute ohne Zigarette in der Hand dasitzt, gibt er Rock, Blues, Country und Oldies zum besten, und bei allem klingt er wie Cocker. Zeit, um Helene Fischer hochzunehmen, bleibt dabei auch noch, wenn er vergnügt Hackevoll durch die Nacht anstimmt. In unserem Veedel von den Bläck Fööss sollte er sich aber lieber verkneifen, Creedence kriegt er ungleich besser hin.
 
In einer Pause zwischen zwei Liedern ging ich hinein und begrüßte Holger, den ich ebenfalls aus dem Griechenviertel kenne, ursprünglich speziell aus der Griechenschänke. Dort hing vor Jahren ein Plakat im Eingang mit einer Konzertankündigung: LANDROCK LIVE. Ich kenne viele Spielarten der Rockmusik, doch was Landrock sein sollte, wollte sich mir nicht erschließen. Bis ich dann erfuhr, dass der Mann so heißt.
 
Ich verabschiedete mich und begab mich ins schräg gegenüberliegende Stüsser, ein alteingesessenes Brauhaus mit klangvollem Namen in der ganzen Stadt. Dort sitzen immer noch die Lück aus dem Agnesveedel, vermischt mit ein paar grauhaarigen Intellektuellen und dem einen oder anderen gealterten Künstler. Ich kondolierte bei Ingrid Stüsser, deren Mann Peter vor kurzem verstorben ist, und ertappte mich dabei, in die Ecke zu schielen, in der P3, wie Peter Stüsser meist genannt wurde, zu sitzen pflegte. So etwas gehört zu einem unbeschwerten Spaziergehtag wohl auch dazu.
 
Als ich etwas später ins Balthasar zurückkehrte, spielte Holger Landrock immer noch. Selbst wenn Holger nur ein Dutzend Zuhörer hat, kann er nicht aufhören. Uwe holte indessen nach, was er zuvor versäumt hatte. Er drückte mir einen Flyer in die Hand für eine Blues und Blues Rock Band namens »Daniel Klaus and the Dukes«, die in Kürze zwei Auftritte in Köln hat, im Söckchen und im Stüsser. Dass Uwe selbst einer der drei Musiker auf dem Bild ist, fiel mir beim besten Willen nicht auf. Mit weißem Hemd und schwarzem Jacket, Krawatte, Hut und Sonnenbrille sieht er aus wie Jake Blues. Da werde ich mal vorbeischauen.
 
Als ich aufbrach, dunkelte es bereits. Ich ging den selben Weg zurück, den ich gekommen war, legte dann am Hauptbahnhof, der ja seit Silvester bundesweit bekannt ist, einen Schlenker ein und machte einen kurzen Abstecher ins Gasthaus Dominikaner, das seit einiger Zeit von einem alten Kumpel und ehemaligen Arbeitskollegen von mir geführt wird. Leider war Norbert nicht da.
 
Dafür kam ich mit drei jüngeren und bestens aufgelegten Typen ins Gespräch. Sie gehören zu einer britischen Folk-Punk Band namens »The Roughneck Riot«, die wohl aus Manchester stammt, seit rund zehn Jahren besteht und derzeit auf Tour ist. Am Vorabend hatten sie ein Konzert in Essen gespielt, wie mir ihr Leadsänger Matty Humphries erzählte, und für den nächsten Tag stand ein Gig in Braunschweig auf dem Programm. Den freien Abend ohne Auftritt verbrachten sie gutgelaunt in Köln. Bis dato hatte ich noch nie von »The Roughneck Riot« gehört, inzwischen habe ich mir bei youtube ein paar ihrer Stücke zu Gemüte geführt und muss sagen: Ziemlich gute Mucke. So brachte mein Heimweg noch eine nette Überraschung zum Tagesausklang mit sich.

Samstag, 19. Dezember 2015

De Nosskracher

Seit ein paar Jahren tauche ich in der Adventszeit in die Erinnerungen meiner Kindheit ein. Ich besuche nämlich alljährlich mit Vergnügen die Weihnachtsvorstellung des Puppenspieltheaters der Stadt Köln. Es ist zwar eine Aufführung, die für Kinder gedacht ist, und doch besteht das Publikum zu etwa drei Vierteln aus Erwachsenen jeden Alters. So auch gestern.

»De Nosskracher« heißt die diesjährige Aufführung, auf Hochdeutsch also »Der Nusskracher«. Vorab wunderte ich mich über den Titel. Dass man einen Nussknacker auch als Nusskracher bezeichnet ist mir neu. Die Vorstellung war ausverkauft, wie vermutlich ebenso die vorangegangenen und alle, die bis Weihnachten noch folgen werden.

Der titelgebende Nusskracher spielt eine wichtige Rolle. Doppelt so groß wie die Akteure, ersetzt er den von den Knollendorfern sehnlich erwarteten Weihnachtsbaum, der auf dem Markt zwischen den Buden aufgestellt werden soll. Da anstelle des Prachtbaumes aber nur ein mickriges Gehölz geliefert wird, machen die Puppen aus der Not eine Tugend, indem sie den in einem Keller vergessenen Nusskracher reaktivieren.

Und genau damit beginnen die Irrungen und Wirrungen. Der Legende nach gibt es im Wald nämlich eine goldene Nuss, und derjenige, der sie findet und von dem Knacker knacken lässt, der hat einen Wunsch frei. Hänneschen und Bärbelchen machen sich auf die Suche, weil sie einem durch gebrochenen Flügel nicht mehr flugfähigen Engel in den Himmel zurück helfen wollen.

Schäl, wie immer verschlagen und auf den eigenen Vorteil bedacht, hat selbstverständlich ganz anderes im Sinn. Er sieht sich schon in einem Swimming Pool voll Gold schwimmen. Vorher hat er bereits eine Biberfamilie entführt, für die der Lehrer und die Schüler, allen voran Hänneschen und Bärbelchen, ein Biberreservat anlegen. Oder ein „Biberreserverad«, wie Hänneschen radebrecht, weil er das Wort nicht aussprechen kann. Schäl will die entführten Biber ohnehin viel lieber gewinnbringend verkaufen.

In den vier Aufzügen spielen auch einige der anderen bekannten Puppen mit: der Tünnes und der Speimanes, Maritzebill und der Mählwurm, dazu Dorfpolizist Schnäuzerkowski und der hillije Mann, der vom Himmel auf die Erde hinabsteigt. Neben den Bibern spielen auch die Tiere des Waldes wieder mit, die häufig dabei sind. Sowohl Menschen als auch Tiere – ohnehin samt und sonders Puppen – singen zwischendurch das eine oder andere Weihnachtslied. In den vier Aufzügen gibt es einige gelungene Gags, über die sowohl Kinder als auch Erwachsene lachen. Wie es sich für das Hänneschen-Theater gehört, wird all das in Kölscher Mundart dargeboten.

Am Ende sind es natürlich Hänneschen und Bärbelchen, die alles zum Guten wenden, doch die Paraderolle hat der Schäl, dem es tatsächlich gelingt, die goldene Nuss zu finden und sie vom Nosskracher knacken zu lassen. Doch siehe da, gerade als er am Ziel seiner Träume zum reichen Mann ist, wird der Bursche geläutert und tut endlich mal ein gutes Werk, indem er den gefallenen Engel wieder fliegen lässt.

Drei verschiedene Bühnenbilder gibt es diesmal, wieder liebevoll entworfen und ausgeführt. Da ist zunächst der Knollendorfer Marktplatz mit den noch geschlossenen Weihnachtsständen, gefolgt von einem winterlichen, schneebedeckten Wald und anschließend der guten Stube vom Schäl, in der der Halunke die entführten Biber eingesperrt hat. Zum Finale im vierten Aufzug geht es dann zurück auf den Knollendorfer Marktplatz, wo die Marktstände inzwischen beleuchtet sind und Puppen und Publikum gemeinsam singen.

Montag, 7. Dezember 2015

Fortuna Köln - Der Film

Bernhard Küchler und Valentin Scholz haben einen Film über den SC Fortuna Köln gedreht. In dem Portrait der beiden Filmemacher geht es nicht um die Vergangenheit des Traditionsvereins aus der Kölner Südstadt, sondern um das Hier und Heute. Küchler und Scholz haben sich der Mannschaft und des Vereins seit 2014 angenommen, seit dem Aufstieg in die 3. Liga und der Rückkehr in den Profifußball. Das ist aktuell, das ist modern – und, wie ich finde, für eine rund neunzigminütige Produktion wie diese ungewöhnlich genug. Ich hatte das Vergnügen, den Film gestern im Odeon-Kino auf der Severinstraße zu sehen.

Eingangs kommen einige der Aufstiegshelden zu Wort, mit launigen und nachdenklichen Stellungnahmen zu den Kollegen. Darunter sind Kapitän Daniel Flottmann, Dauerläufer Thomas Kraus und der überragende Torschütze Ercan Aydogmus. Allein schon aus deren Aussagen kann man heraushören, was die Spieler zu einer Mannschaft zusammengeschweißt hat, die unter Präsident Klaus Ulonska und Trainer Uwe Koschinat das große Ziel erreichte, das die Fußballfans in der Südstadt so sehr herbeigesehnt hatten.

Natürlich kommen im Laufe des Films auch die beiden letztgenannten zu Wort, ebenso wie von anderen über sie gesprochen wird. Man sieht Uwe Koschinat in seiner engagierten Art an der Seitenlinie, man lauscht noch einmal den Worten des großartigen Klaus Ulonska, der uns leider so früh verlassen hat. Das im Kino anwesend Publikum lauschte ohnehin gebannt, doch besonders bei einer Sequenz herrschte andächtige Stille.

Klaus Ulonska hatte gerade ein Interview gegeben und wurde an dessen Ende gefragt, ob er in Kürze noch für ein paar weiterreichende Fragen zur Verfügung stehe. Das täte er selbstverständlich jederzeit, entgegnete er in seiner offenen und herzlichen Art. Dann gibt es einen Schnitt. Man sieht Laub, Bäume, den Schwenk auf ein Grab, auf dem sein Name steht. Wieder ein Schnitt: Spieler, Vereinsangehörige, Offizielle und Zuschauer bei der Schweigeminute vor dem Anpfiff des folgenden Heimspiels, dem ersten, an dem Klaus nach seinem überraschenden Tod nicht mehr teilnehmen konnte.

Die wunderbare Helge Ulonska plaudert über ihren verstorbenen Mann. Sie erzählt noch einmal, wie er von Fans dazu gedrängt wurde, die Geschicke der Fortuna zu übernehmen, wie er es nur ein Vierteljahr lang machen wollte – und es schließlich mehr als zehn Jahre machte.

Den traurigen und besinnlichen Szenen folgt Klaus Ulonskas größter Triumph. Vorn auf der Leinwand laufen die entscheidenden Szenen des Rückspiels der Relegation zwischen der 2. Mannschaft des FC Bayern München und der Fortuna, die nach der regulären Spielzeit eigentlich schon tot war, in der letzten Sekunde der Nachspielzeit aber das entscheidende Tor zum Aufstieg schoss, dass bei den Kölner Anhängern alle Dämme brechen ließ. Schön, das an dieser Stelle noch einmal nachzuerleben.

Doch es gibt noch mehr. Johannes Rahn kommt zu Wort, Michael Schwetje, ebenso die ehemaligen Fortuna-Spieler Hans Sarpei und Tim Wiese, dazu Sportjournalisten und »Fußball-Philosoph« Bruno Laberthier. Und für Insider: auch Elli. :-) Nicht ausgespart bleibt die bittere Pokalpleite im Stadtderby gegen die Viktoria. Die gehört dazu.

Herausgekommen ist ein sehr schöner Film, bewegend und nachdenklich, melancholisch und euphorisch, begeistert und begeisternd. Oder wie man in Köln sagt: himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt. Es ist ein Film, der ans Herz geht und der eine Menge Herz besitzt, obwohl es sich bei Küchler und Scholz nicht um erklärte Fortuna-Fans handelt – was das Ergebnis aufgrund der gewissen Distanz aber umso wertvoller macht.

Mit dem Fortuna-Portrait gab es 2015 nach »Heinz Flohe – Der mit dem Ball tanzte« jedenfalls den zweiten gelungenen und mich berührenden Kölner Fußballfilm, den ich mir sicher mehr als nur einmal anschauen werde. Beim Abspann brach das Kinopublikum in spontanen Applaus aus, und das haben sich Küchler und Scholz mit ihrem tollen Portrait absolut verdient. Ich warte dann mal auf die DVD.

Montag, 31. August 2015

Bläck Fööss seit 40 Jahren am Tanzbrunnen

(c) des Fotos by Frank "Veeni" Veenstra
Ob das irgendeine andere Band an irgendeinem Ort der Welt geschafft hat? Vierzig Jahre lang jedes Jahr mindestens ein, zuweilen sogar zwei oder drei Mal am selben Veranstaltungsort aufzutreten? Die Kölner Mundartgruppe Bläck Fööss hat dieses Kunststück jedenfalls fertig gebracht. 1970 wurden die Fööss gegründet, 1975, also in dem Jahr, in dem Boss Bruce Springsteen sein Jahrhundertalbum Born to Run veröffentlichte, stand die Mutter aller kölschen Bands erstmals auf der Open Air-Bühne des Tanzbrunnens.

Am Samstagabend war es wieder soweit. Vor proppenvollem ausverkauftem Haus und bei strahlendem Sonnenschein legten die sieben Musiker pünktlich um 19 Uhr los. Die Stimmung beim Publikum war sofort da, bei allen "von 8 bis 80", wie Erry Stoklosa feststellte. Fööss-Konzerte sind eine echte Familienangelegenheit, zu der sogar Besucher aus Belgien, den Niederlanden und Skandinavien anreisen. Die Fööss waren bestens aufgelegt, und die Hits kamen Schlag auf Schlag. In 45 Jahren Bandbestehen sammelt sich natürlich ein enormer Fundus an Liedern an

Zu jedem Konzert am Tanzbrunnen lässt die Kölner Kultband sich etwas besonderes einfallen. In diesem Jahr gaben die Musiker ein Elvis Presley-Medley zum besten. Gewandet in typisches Elvis-Bühnenoutfit schmetterten sie ein paar bekannte Stücke des King, um dann ihr Elvis lääv folgen zu lassen. Überhaupt verweisen sie immer wieder auf die Idole ihrer eigenen Jugend

Doch es wurde nicht nur gefeiert und mitgesungen, sondern zwischendurch immer wieder besinnliche, nachdenkliche Töne angeschlagen. Zum Beispiel mit Usjebomb, einem ruhigen Stück über das ausgebombte Köln. An das Kriegsende vor siebzig Jahren erinnerte auch der von Karl Berbuer stammende Gassenhauer Trizonesiensong, unschwer zu erkennen auf die drei Besatzungszonen gemünzt und gleich nach dem Krieg so etwas wie die inoffizielle Ersatzhymne. Bömmel Lückerath nutzte die Gelegenheit, um vor immer offener zu Tage tretenden rechten Tendenzen zu warnen. Harsche Kritik musste auch der Rat der Stadt Köln für so manch verfehlte Politik in den vergangenen Jahren einstecken.

Meine Lieblingslieder der Bläck Fööss stammen vorwiegend aus den Siebziger oder frühen Achtziger Jahren, und da die Band sich durch alle Schaffensperioden spielte, kamen auch sie zum Zug. Kölsche Bröck, erzählt aus der Perspektive einer Kölner Rheinbrücke, Ming eetste Fründin, die natürlich das Meiers Kätchen war, und vor allem das Heimwehstück Ich han nen Deckel.

Klar, dass mir nicht alle Stücke der Bläck Fööss gefallen. Das schafft ja nicht mal BAP, und selbst beim Boss gibt es Songs, die ich nicht mag. Bei den Fööss sind das beispielsweise die vom Publikum stets abgefeierten Kathrin und Bye bye, my Love. Die Leute fahren drauf ab, ich sehe darin nur Schlagerdriss. Aber ein paar wenige Ausfälle bei all den wunderbaren Liedern verzeihe ich den in Ehren ergrauten Herren gern, die die Kölsche Mundart in die Musik und die Musik in die Kölsche Sprooch gebracht haben.

Unsere Stammbaum jagte sich mit Wenn et Leech usjing em Roxy, Surfen am Fühlinger See mit dem Bickendorfer Büdche. Das Publikum der Bläck Fööss ist ausgesprochen textsicher, und zuweilen lassen die Musiker, die in jeder musikalischen Richtung zu Hause sind, ihm den Vortritt. Bei Uptempo-Stücken und Rock'n'Roll ebenso wie bei Balladen und griechischen Melodien. Beim Sirtaki ließ sich das Publikum nicht lange bitten. Da der Tanzbrunnen rechtsrheinisch liegt, durfte Schäl Sick natürlich nicht fehlen, und das Rheinhotel erfreut sich ohnehin immer wieder großer Beliebtheit.

Drink doch eine met und In unserem Veedel habe ich bestimmt tausendmal gehört, habe aber bei beiden Stück immer noch einen Kloß im Hals. Kaum anders geht es mir bei Mer han e Hätz för Kölle, eins ihrer schönsten Stücke, ihrer zu Herzen gehendsten Lieder, bei dem so mancher Lokalpatriot gerne mal ein Tränchen verdrückt.

Manches Stück fehlte, manches andere kam überraschend. Nach dem Veedel war Schluss, um Punkt 22 Uhr und nach einem wundervollen dreistündigen Programm. Länger als bis zehn ist am Tanzbrunnen nicht erlaubt, auch nicht am Wochenende, sonst gibt es Ärger. Man merkte den Musikern an, dass sie liebend gern noch weitergespielt hätten. Durften sie aber nicht. Schade. Dafür haben sie angekündigt, 2016 auch im 41. Jahr am selben Ort auf der Bühne zu stehen. Ich bitte darum.