Da war sie also nun, die elektronisch reduzierte BAP-Tour. "Unplugged" nannte man das früher. Heute auch noch? Wolfgang Niedecken witzelte jedenfalls darüber, daß der Stecker natürlich nicht ganz gezogen sei, sonst würde man allenfalls in den ersten beiden Reihen etwas hören. Doch man wolle ganz höösch machen. Ob die Zuschauer denn wissen, was das Worte bedeute? Vergnügtes Lachen im Auditorium. Schließlich fand das Konzert in der Beethovenhalle in Bonn statt.
Überhaupt war der BAP-Frontmann zu einigen augenzwinkernden Bemerkungen aufgelegt, auch an seine eigene Adresse. Was habe man anläßlich der Tonfilm-Tour zur Jahrtausendwende noch Kritik auf die Ohren bekommen für eine bestuhlte Tournee. "BAP im Sitzen", zitierte er. "Das geht ja gar nicht." Bei der gestiegenen Altersstruktur seien die Besucher heute wohl froh darüber, drei Stunden sitzen zu können. So wie auch die Musiker selbst.
Eine Ausnahme machte Werner Kopal, der die meiste Zeit stand. Das geht nun mal schlecht anders bei einem Kontrabaß. Ansonsten fiel mir zunächst auf, daß Helmut Krumminga nicht auf der Bühne war. Stattdessen hatte BAP einen neuen Gitarristen dabei. Ulrich Rode, von dem ich noch nie gehört hatte. Aber ein hervorragender Ersatz für Krumminga, der aus persönlichen Gründen nicht an der Tour teilnehmen konnte. Ein vorübergehender Ersatz oder ein dauerhafter? Ich bin gespannt.
Los ging es mit Noh alle dänne Johre, einem meiner Lieblingsstücke vom letzten Album. Mit dem Text kann ich mich voll und ganz identifizieren. Danach ging es gleich ganz weit zurück in der Band-Historie. Die rut-wieß-blau querjestriefte Frau war mal wieder angesagt. Deutlich war der reduzierte Sound zu hören, der vielen der alten Stücke ein neues Gewand verleiht. Neu arrangiert, mußte ich mich erst daran gewöhnen. Und fand, daß das bei manchen Stücken wie dem folkigen Souvenirs oder dem dramatischen Lisa wunderbar funktioniert, ich aber mit anderen wie Rääts un links vum Bahndamm ohne fetzigen Rock'n'Roll oder mit der reduzierten Fassung von Anna nicht klar komme.
Einem Liedermacher und Geschichtenerzähler wie Wolfgang Niedecken kommt diese Form natürlich entgegen. Zumal die ausgewählt guten Musiker eine große Bandbreite zeigen. Ulrich Rode spielte nicht nur Gitarre, sondern zudem ein indisches Saiteninstrument, dessen Namen ich mir nicht merken konnte, und Pedal Steel. Anne de Wolf brillierte nicht nur wie gewohnt mit der Geige, sondern wechselte zwischen Mandoline, Cello, Posaune und einem indischen Harmonium hin und her. Dazu gibt es mir Rhani Krija wieder einen Percussionisten in der Band.
Der brachte mit seiner Spielweise gelegentlich einen orientalischen Touch in die Musik ein. Und ansonsten waren, wie erwähnt, folkige Klänge ebenso zu hören wie Country-Anleihen, vor allem durch die Pedal Steel. Dafür fehlten mir eindeutig die markanten Gitarren von Klaus Major Heuser oder Helmut Krumminga. Als Rock'n'Roll würde ich die derzeitige Ausrichtung nicht bezeichnen, dafür fehlen mir zu viele Rock-Elemente, was sich auch daran bemerkbar machte, daß einige Stücke, auf die ich wartete, nicht gespielt wurden. Die hätten wohl nicht ins Konzept gepaßt. "Weltmusik" titelte gar jemand, ein Begriff, der sich mir nie wirklich erschlossen hat.
Beim unverzichtbaren Verdamp lang hielt es das Publikum ohnehin nicht mehr auf den Stühlen. Frei nach dem Fußballfan-Motto "Sitzen ist für'n Arsch" sprangen alle auf und sangen lauthals mit. So mag ich es. Schön, daß als Zugabe noch Do kanns zaubre kam und zum Abschluß das großartige Sendeschluß. Letzteres dürfte ich seit Jahrzehnten nicht mehr gehört haben.
Doch davon abgesehen, daß ich eine andere musikalische Ausrichtung bevorzuge - um es mit Bruce Sprinsteen zu sagen: I got this guitar, and I learned how to make it talk - war es ein wunderbares Konzert. Es macht Spaß, Wolfgang Niedecken dermaßen entspannt und in jeder Hinsicht positiv zuversichtlich auf der Bühne zu sehen.
Da bin ich jetzt schon ein wenig mürrisch, daß BAP sich 2015 auf den Bühnen rar machen wollen. Kein Konzert? Schwer vorstellbar. Ich hoffe, Wolfgang Niedecken läßt sich zu dem einen oder anderen Sommer-Open Air hinreißen. Vielleicht am Tanzbrunnen oder in Bonn. Ansonsten richtet sich die ganze Konzentration der Band auf 2016. Denn dann kann das vierzigjährige BAP-Bestehen gefeiert werden.
Für diejenigen, die die Auswahl der gespielten Stücke interessiert, hier die komplette Setlist:
19.08. Bonn
◘ 1 ┌NOH ALL DÄNNE JOHRE
◘ 2 └RWB
3 MOMENT
4 ┌ZOSAMME ALT
5 └BAHNDAMM
6 ANNA
7 RITA
8 ┌MAGDALENA
9 └NÖHER
10 OLEANDER (ICH WÜNSCH MIR)
(Bandvorstellung)
11 SHOESHINE
- - - - -
◘ 12 ┌SOUVENIRS
◘ 13 └MORJE FRÖH
14 LISA
15 ┌GULU
│Michas Intermezzo
16 │JUPP
17 └KRISTALLNAACH
18 FRANKIE
19 ┌PRÄDESTINIERT
20 │LENA
21 └VERDAMP
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22 PAAR DAACH
23 NOVEMBERMORJE
24 ZAUBRE
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25 ┌SONGS
26 └SENDESCHLUSS
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