Wahrscheinlich klang mein Brief
ziemlich ehrfürchtig (Ein Magazin, an dessen Namen ich mich nicht
erinnere, warb damals tatsächlich mit dem Slogan: „Früher hatten
wir Borgward, heute haben wir Borchard.“). Meine Angst vor
einer Absage erwies sich wenig später als unbegründet. Manfred
schickte mir eine unveröffentlichte Story mit dem vielsagenden Titel
Täglich zweimal pervers. Sie gefiel mir sehr, wie mir bis
dahin – und auch später – alles aus der Borchardschen Feder
gefallen hatte, und natürlich brachte ich sie in Denebola 6 unter.
Ich war stolz wie Bolle.
Manfred Borchard wurde 1950 in Freiburg
geboren. Er war gelernter Schriftsetzer von Beruf und arbeitete in
einer Druckerei. Im Alter von 14 Jahren begann Manfred sich für
Science Fiction zu begeistern, zehn Jahre später schrieb er dann
erste eigene Erzählungen. Erste Veröffentlichungen erfolgten 1976,
und von da an war er einer der begehrtesten Autoren der Szene. Seine
Stories erschienen fortan in zahlreichen Fanzines, Magazinen und
Anthologien, und gemeinsam mit Helmut Ehls gab er PHALANX heraus.
Doch irgendwann gingen seine Veröffentlichungen zurück, bis gar
nichts mehr von ihm zu finden war, was ich schade fand. Erst im neuen
Jahrtausend publizierte er dann wieder die eine oder andere
Geschichte in Exodus. Ob auch anderenorts, ist mir leider nicht
bekannt.
Persönlich kennengelernt haben wir uns
nie, und unser Briefwechsel Anfang der Achtziger Jahre war äußerst
sporadisch und hielt auch nicht lange an. Im Nachhinein stelle ich
fest, dass ich über den Menschen Manfred Borchard so gut wie nichts
weiß – doch ein paar seiner Geschichten sind mir bis heute in
Erinnerung geblieben. Manfred Borchard starb, wie ich erst jetzt
erfuhr, Ende September nach längerer, schwerer Krankheit in seiner
Heimatstadt Freiburg.
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Horst Hoffmann kannte Manfred Borchard seit 40 Jahren und weiß viel mehr über Manfred als ich. Daher bin ich Horst dankbar, dass er sich an dieser Stelle sehr persönlich zu ihrer langjährigen Bekanntschaft äußert:
HORST HOFFMANN: ich lernte manfred 1976 über den
SFKR kennen (science fiction korrespondenz ring), ich glaube, über
die kölner gruppe um alfred meyer und aktentaschen-schmitz. nach
meinem beitritt zum SFKR, dem helmut ehls, chris worch und einige
andere damals bekannte autoren angehörten, entwickelte sich eine
sehr rege brieffreundschaft zwischen manni und mir. seine briefe
waren einmalig, immer mit handschriftlicher überschrift, und
einige seiten lang. es ging darin mehr über gott und die welt als
um perry rhodan und so.
manni war ein großer verehrer von nietzsche
und kafka - und (in einem atemzug - bitte beachten!) hansrudi
wäscher. insofern hättet ihr euch sicher viel zu sagen gehabt. wir
grüßten uns immer mit sigurd und bodo, wobei ich nicht mehr weiß,
wer gerade sigurd und wer gerade bodo war. als mensch war er eher
zurückhaltend, beteiligte sich an gesprächen eher durch seine
schmunzelnden, immer beobachtenden blicke. worte schrieb er lieber.
ich habe ihn zweimal getroffen, einmal auf beschriebenem con 76 in
köln, dann 2005 oder 06 auf einem der reuma-cons in düren bei rené
und marlene moreau. (reuma für: re(ne)u(nd)ma(rlene). nach meiner
scheidung und dem ganzen damit verbundenen stechen und hauen und
durch meine beiden umzüge erstarb unser kontakt so langsam. auf
jeden fall hatte die firma, für die er als schriftsetzer arbeitete,
pleite gemacht, und er arbeitete dann als aufseher (oder wie man das
nennt) in einem freiburger spielcasino. spaß machte ihm das nicht.
der erste deutsche fantasy club druckte fünf sehr schön
aufgemachte bücher mit seinen stories. ja, sein stil war wirklich
unverwechselbar und spiegelte seine liebe zu franz kafka wieder.
aber der letzte kontakt ist bestimmt drei oder vier jahre her. ich
hatte keine ahnung, dass er diese scheiß-krankheit hatte bzw.
bekam. helmut ehls war sein bester kumpel und schrieb mir letzte
woche davon und wie furchtbar die krankheit gewesen sei. sowas
kracht einfach in dein leben und du kannst es nicht begreifen, jeden
von uns kann es jeden tag treffen, darf gar nicht daran denken.
Manfred Borchard und Horst Hoffmann, Coloniacon 1976 in Köln |
Es bliebe noch hinzuzufügen, dass Manfred Borchard zeitlebens ein großer Bewunderer, ja Fan von Bob Dylan war. Dass Dylan soeben den Literaturnobelpreis verliehen bekam, hätte Manfred sicher gefallen.
Nachtragen möchte ich noch, dass das Magazin EXODUS, in dem eine Reihe von Borchard-Stories erschienen sind, ein virtuelles Kondolenzbuch eingerichtet hat, in dem man sich eintragen kann. Zu finden ist es hier:
https://www.exodusmagazin.de/news/395-manfred-borchard-verstorben.html
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