Zur Überbrückung zwischen dem zweiten
und dritten Teil legte ich mir die Kurzgeschichtensammlung BASAR DER
BÖSEN TRÄUME zu. Schon der Opener Raststätte Mile 81 ist
King-Horror vom feinsten, und mit Die Düne folgt eine
aufregende Story, die noch übertroffen wird von dem fiesen, bösen,
gemeinen Plot in Böser kleiner Junge, der einen wirklich
schaudern lässt und mich in seiner Boshaftigkeit an das Ende von
Twin Peaks erinnerte. Ich gebe zu, während des Lesens der
Kurzgeschichten packte mich das King-Fieber wie wohl zuletzt vor
einer halben Ewigkeit bei ES, und damit stand fest, dass wieder mehr
King auf der Speisekarte stehen muss. Also mal ins Internet geschaut
und erstaunt festgestellt, dass der Altmeister eine Fortsetzung zu
SHINING geschrieben hat. Das überraschte mich nun wirklich, und
augenblicklich stand für mich fest, dass DOCTOR SLEEP kommende
Pflichtlektüre ist. Doch halt, nach über zwanzig Jahren war mir der
Inhalt von Shining nur noch in Teilen gegenwärtig. Daher beschloss
ich, das Buch noch einmal zu lesen, bevor ich mich an die Fortsetzung
mache. Leider musste ich dabei feststellen, dass Shining in meinem
Bücherfundus nicht mehr vorhanden ist, und ich entschied, Doctor
Sleep zu verschieben, bis es mir gelungen ist, Shining irgendwo
aufzutreiben. Aber als gebundene Ausgabe bitteschön, man ist ja
schließlich bibliophil.
Und dann passierte etwas, das ich mir
für eine Story nicht glaubwürdig ausdenken könnte. Vielleicht
gelänge das nicht einmal Stephen King. Obwohl, doch, der King würde
das hinkriegen. Da noch mal ein schöner Tag mit blauem Himmel war,
ließ ich den Computer Computer sein, das aktuelle Manuskript
Manuskript sein und machte mich auf zu einem Spaziergang durch den
rechtsrheinischen Kölner Stadtteil Mülheim. Über die belebte Meile
Mülheimer Freiheit, die vom Wiener Platz zum Rheinufer
hinunterführt, bin ich schon seit ein paar Jahren nicht mehr
geschlendert, es wurde also mal wieder Zeit. Auf der Freiheit
herrscht ein buntes Gemisch, in jeder Hinsicht. Supermärkte wechseln
sich ab mit einer Fülle kleiner Läden, Telefonshops und Imbissbuden
geben sich die Klinke in die Hand, Ramschläden konkurrieren mit
Straßencafés, und zwischen all dem finden sich Seniorenheime und
türkische Kulturvereine, Kioske und schäbig aussehende
Versicherungsbüros.
Im Vorbeigehen angesprochen wurde ich
jedoch vom Vertreter eines ganz anderen Gewerbes. Ein Typ um die
Vierzig, kantig und mit tätowierten Muskelpaketen, von Kopf bis Fuß
gekleidet wie ein wandelnder Nato-Army-Shop und mit einem halbvollen
Glas Weißbier in der Hand, grinste mich an und raunte mir etwas zu.
Ich konnte sein hartes, gebrochenes Deutsch mit dem unverkennbaren
Russisch-Hintergrund kaum verstehen, doch sein Fingerzeig zu einem
Stehtisch vor der anliegenden Kneipe machte mir klar, was er wollte.
Daran stand, ziemlich gelangweilt, wie mir schien, eine Frau in
seinem Alter. Sie war ebenfalls aufgedonnert, allerdings weniger im
Nato-Stil. Schlank, lange blonde Haare, enge schwarze Leggins, hohe
Hacken und rotlackierte Fingernägel. Klischeehafter ging es nicht,
und der Natodeutschrusse grinste mich erneut an, diesmal Daumen und
Zeigefinger gegeneinander reibend, was dann doch zu viel Klischee für
mich war. Ich schüttelte den Kopf und machte, dass ich weiterkam.
Allzu schwer schien er meine Abfuhr nicht zu nehmen, denn ich bekam
noch mit, dass er sich gutgelaunt das halbe Weizen in den Hals
schüttete und ein neues bestellte.
Was dieses Intermezzo mit Stephen King
zu tun hat? Ganz einfach, ich schlenderte weiter, darauf bedacht,
weiteren unheimlichen Begegnungen jedweder Art aus dem Weg zu gehen –
und kam schließlich an diesem merkwürdigen Laden vorbei, den ich
nicht richtig einordnen konnte. Vor dem Schaufenster standen Körbe
auf dem Gehweg, und darüber glotzte mich, fast unbeachtet von den
hektisch vorbeieilenden sowie gelassen flanierenden Passanten, ein
riesiges Schild an, auf dem stand: 3 Bücher für 1 Euro. Nicht für
einen, nein für 1 Euro. Ich wollte schon weitergehen, ohne einen
Blick auf die Auslage zu werfen, weil ich sicher war, dass bei einem
solchen Preis einfach nichts für mich dabei sein kann, doch dann
erregte etwas meine Aufmerksamkeit. Wahrscheinlich war es diese ins
Auge springende, knallrote Schrift auf schwarzem Grund, die man
selbst aus dem Augenwinkel wahrnimmt. STEPHEN KING stand da in eben
jenem Knallrot zu lesen, und in Weiß darunter SHINING. Für einen
Moment glaubte ich meinen Augen nicht zu trauen. Ich schien eine
Halluzination zu haben, einen Tagtraum. Hatte ich doch noch kürzlich
an King gedacht und genau an diesen Roman. Und da lag er nun vor mir,
in der gebundenen Lübbe-Ausgabe von 1987. Gleich daneben lagen zwei
weitere Hardcover von King, nämlich STARK und GESANG DER TOTEN. Ich
packte die drei Bücher, stapfte in den Laden und beglich die
horrende Rechnung von einem Euro.
Jetzt, wenige Tage später, wundere ich
mich immer noch. Außer besagten drei King-Titeln befand sich in dem
Sammelsurium kein einziges Buch, das ich auch nur anlesen würde.
Nach rund einem Vierteljahrhundert, in dem ich Shining nicht mehr
gesehen hatte, fiel es mir, kurz nachdem ich beschlossen hatte, es
mir nach langer Zeit erneut zuzulegen, wie aus heiterem Himmel in die
Hände. Nein, diese Geschichte ist nicht erdacht, sondern hat sich
genau so zugetragen. Ein fast unglaublicher Zufall? Ja, sicher.
Andererseits … andererseits, wer weiß, welche überirdische Macht
bei diesem merkwürdigen Vorkommnis ihre Finger im Spiel hatte.
Vielleicht sogar Stephen King selbst? Das scheint mir ein Fall für Scully und Mulder zu sein. Oder wie es früher in den
Gespenster-Geschichten von Hajo F. Breuer und Uwe Helmut Grave immer
so schön hieß: Seltsam, aber so steht es geschrieben.
Zufälle, die nur das Leben schreiben kann.
AntwortenLöschenIch hatte gerade schon überlegt, dir als Überbrückung mein alte, allerdings Taschenbuchversion von Shining, zum Bucon mitzubringen.
Aber das hat sich ja als unnötig herausgestellt.
Spooky.
AntwortenLöschenHallo Achim
AntwortenLöschenSchön zu lesen, dass es Dir ähnlich erging, wie mir vor ein, zwei Jahren, als ich den ersten Teil des Dreiteilers von "Mr Mercedes" gelesen hatte.
Mittlerweile habe ich meine Liebe zu King erneut angefacht, nachdem ich ihn so um "Dreamcatcher" aus den Augen verlor, weil seine Bücher mir immer weniger entsprachen und einfach langweilig wurden.
Oder ich hatte mich so verändert, dass ich damit nichts mehr anfangen konnte, wer weiss das schon so genau.
Jedenfalls bin ich seither wieder bei King und geniesse seine Bücher wieder, als würde es sich um einen guten, alten Schottischen Whiskey handeln (gilt als Vergleich. Ich selber trinke das nicht).
Ich habe mich sogar an den Schmöker 11/22/63 gewagt, der mich vom Umfang her immer abgeschreckt hat. Als ich jedoch das Projekt in Angriff nahm, wurde ich mit einem aussergewöhnlichen Buch und einer wunderbaren Geschichte konfrontiert.
Mittlerweile liest sie ein Kollege von mir auf Deutsch (Der Anschlag) und kann bis jetzt - kurz vor der Mitte - meine Einschätzung nur teilen.
Ich wünsche Dir weiterhin gute Lektüre mit Stephen King und mit den eigenen Büchern auch weiterhin alles Gute.
Viele Grüsse
Michel