Dienstag, 18. November 2014

Shaban aus Sansibar

Ungemütliches Wetter konnte mich noch nie von einem Spaziergang abhalten. Im Herbst so wenig wie zu jeder anderen Jahreszeit. Gestern spazierte ich ein wenig durch die Südstadt und kam schließlich an der Severinstorburg vorbei. Siebzehn Uhr, und es war dunkel. Ich hasse das. Die Sonne hat zwischen 21 und 22 Uhr unterzugehen, nicht früher.

Ich entschied mich für einen kurzen Abstecher in die gleich neben dem Severinstor gelegene Kneipe Torburg. Dort spielen gelegentlich Bands, für ein paar Euro Eintritt oder ganz umsonst. Gestern nicht. Dafür lief Blues und Bluesrock. Eine sehr ursprüngliche Musik, auf der sehr viele Musikstile beruhen. Ich mag sie, bin aber nicht in der Lage, einzelne Stücke den Interpreten zuzuordnen. Höchstens John Lee Hooker, Muddy Waters oder B. B. King. Ein halbes Dutzend vielleicht. Vor der Theke sitzend, konnte ich von dem Gehörten mit Müh und Not namentlich Joe Bonamassa einordnen.

Neben mir saß ein Schwarzer. Ich tue mich immer sehr schwer damit, das Alter von Menschen zu schätzen. So auch bei ihm. Rentenalter, dachte ich. Näher rangetraut hätte ich mich nicht. Er saß beinahe unbeweglich da. Nur hin und wieder schloß er für einen Moment die Augen, die meiste Zeit lächelte er zu der Musik, nippte versonnen an seinem Kölsch.

Klar, daß wir ins Gespräch kamen. In Kölner Kneipen ist das eine leichte Übung. Sein Name sei Shaban, erzählte er in ganz leicht gebrochenem Deutsch mit ein paar kölschen Brocken drin, und daß er aus Sansibar stamme. Unwillkürlich mußte ich an Freddie Mercury denken. Das fand er amüsant.

Shaban lebt seit 1965 in Köln. Er hat für die Deutsche Welle gearbeitet und ist seit 2005 im Ruhestand. Inzwischen ist er 75. Sein zuvor verzücktes Lächeln und die Versonnenheit bestätigten sich. Er liebt Blues, besonders den traditionellen aus Zeiten, in denen ich noch keine Musik gehört habe, geschweige denn lesen oder schreiben konnte. Begeistert nannte Shaban mir einige Namen, mit denen ich nichts anfangen kann. Er wußte über diese Musiker in höchsten Tönen zu berichten. Das gefiel mir, wie mir derlei Hingabe für Musik überhaupt gefällt.

Ein oder zwei Stunden und eine Menge guter Musik später verabschiedeten wir uns voneinander, und ich machte mich auf den Heimweg. Vorbei an erhalten gebliebenen Stücken der römischen Stadtmauer, der Ulrepforte und dem Sachsenturm am Kartäuser Wall.

Ach, man muß ja vorbeugen. Es gibt Zeitgenossen, die bekommen alles in den falschen Hals, weil sie es genau dort hinein bekommen wollen. "Neben mir saß ein Schwarzer" schrieb ich oben. Falls sich irgendwer an der Ausdrucksweise stört, Shaban tut es nicht. Er findet sie richtig und benutzt sie selbst. Ein aus Afrika stammender Bekannter nennt mich Weißer oder "Na, du Weißbrot". Als ob daran etwas Verwerfliches, Diskriminierendes oder Rassistisches wäre. Unsinn.

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