Am Feiertagsvorabend stand eine spannende Auswärtsfahrt in den Ruhrpott auf dem Programm. Fortuna Köln spielte bei Rot Weiß Essen. Zwei ehemalige Bundesligisten trafen also in der vierten Liga aufeinander, in der Regionalliga West. Die S-Bahn nach Essen war fest in Kölner Hand, worüber sich einer besonders freute. Der mit einem blauen Müllsack ausgerüstete Flaschen- und Dosensammler machte reichlich Beute. Eine mitten unter den Südstädter Schlachtenbummlern sitzende ältere Dame, auf dem Weg nach Oberhausen und ohne jegliche Berührungsängste, hatte reichlich Spaß an den Kölner Fangesängen. Zum Abschied gab sie uns mit auf den Weg, trotz der guten Unterhaltung RWE die Daumen zu drücken, da sie in Essen geboren sei.
Im neuen Essener Stadion war ich zum ersten Mal. Ich muß sagen, meine Hochachtung. Ein wirklich schönes Schmuckkästchen aus vier separat stehenden Tribünen, in das ich bei nächster Gelegenheit gerne wieder fahren werde. War ich bei meinem letzten Besuch im alten Stadion an der Hafenstraße noch schockiert vom gewaltbereiten Auftreten, dem Platzsturm und dem Versuch einiger RWE-Anhänger, den Gästeblock zu entern, (ich betone bewußt "einiger", denn es war wie so häufig eine Minderheit, die ein schlechtes Bild auf einen Verein oder den Fußball wirft), so kam es diesmal zu keinen Ausschreitungen. Stattdessen herrschte die stimmungsgewaltige Atmosphäre vor, für die Essen bekannt ist. Daumen hoch dafür.
Die Geschichte des Spiels ist schnell erzählt. Fortuna ging früh durch Tobias Steffen in Führung, und das schon zu diesem Zeitpunkt verdient. Noch vor der Pause wurde das Ergebnis durch den Kölner Neuzugang Kristoffer Andersen und durch Ozan Yilmaz in die Höhe geschraubt. Nach dem Seitenwechsel legten die Gäste das 4:0 nach, das den Endstand bedeutete, mit dem die Essener aber noch gut bedient waren. Wie schon am vergangenen Wochenende gegen die 2. Mannschaft des 1. FC Köln hatte ich eine schwere Begegnung erwartet. Doch hier wie da (5:0) war die Fortuna die in allen Belangen überlegene Mannschaft und der Sieg hochverdient. Daß vor und während des Spiels zünftig gebechert wurde, brauche ich wohl nicht zu erwähnen.
Am nächsten Tag, dem Feiertag, tat ich dann das, was ich nach solchen Abenden häufig mache. Raus in die frische Luft, um einen klaren Kopf zu bekommen. Für einen ausgedehnten Spaziergang suchte ich mir den weitläufigen Königsforst aus. Nach einer Currywurst-Stärkung an der legendären Schmitzebud gleich gegenüber der KVB-Endhaltestelle spazierte ich los. Natürlich wie immer ohne Karte und sonstige Orientierungshilfen. Im Grüngürtel klappt das bestens, im Königsforst funktioniert es hingegen nicht, wie ich nach einer Weile feststellte. Irgendwie hält man sich ja immer noch für den Last Boy Scout. Wer im Großstadtdschungel zurechtkommt, der hat in der Wildnis erst recht keine Probleme. Denkste! Ich hatte mich hoffnungslos verirrt, weil ich keine Richtung beibehalten hatte, sondern mehrmals willkürlich an einsam vor mir liegenden Weggabelungen abgebogen war.
Zwar traf ich auf ein paar andere Spaziergänger, doch die waren nicht weniger aufgeschmissen als ich. Andere orientierten sich weniger an Pfaden, Wegen und möglichen Straßen als an den Wuchsstätten von Pilzen. In der Tat, Pilzsammler mit Körbchen und Tüten huschten durchs Unterholz wie weiland Smeagol auf der Suche nach seinem blöden Ring. Es scheint gerade Erntesaison zu sein - für Pilze, nicht für Ringe. Trotz des sich immer weiter in die Länge ziehenden Fußmarsches war ich mehr amüsiert als verärgert. Ich fühlte mich glatt um ein gutes Vierteljahrhundert zurückversetzt, in meine Bundeswehrzeit und zu einem der damals so verhaßten Zwanzigkilometermärsche, trug aber zum Glück kein Sturmgepäck auf dem Rücken.
Als ich aus dem Wald endlich in die Zivilisation zurückfand, hatte ich, wie ich feststellte, Köln weit hinter mit gelassen. Ich befand in dem zu Rösrath gehörenden, 6000 Seelen zählenden Straßendorf Forsbach. Zum Glück fand ich auf Anhieb ein Café, denn mich dürstete und die Zunge hing mir aus dem Hals. Inzwischen war später Nachmittag, doch zu meiner Freude bekam ich noch ein Stück Madarinentorte und eine große Cola. Hemmungen hatte ich nicht, denn die Kalorien hatte ich bereits zuvor abtrainiert. Zwei Einheimische am Nachbartisch, mit denen ich mich unterhielt, waren voll des Unglaubens, daß ich tatsächlich zu Fuß zu ihnen gelangt war. So kann man als Städter der Dorfbevölkerung doch noch etwas vormachen. Der Heimweg gestaltete sich mit Bus und S-Bahn dann allerdings wesentlich weniger anstrengend.
Ich hätte ja gerne mal einen Sci-Fi-Roman mit Pfadfindern. ;-)
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