Mir war er immer vor allem als Edelweißpirat im Kopf, als einer jener nur lose organisierten Jugendlichen also, die sich unter ständiger Lebensgefahr dem Nationalsozialismus verweigerten und von denen einige wie Bartholomäus Schink hingerichtet wurden. Jean Jülich blieb dieses Schicksal erspart. Erst 2005 wurden er und die anderen Edelweißpiraten rehabilitiert, endlich als Widerstandskämpfer anerkannt und nicht länger als Kriminelle diskriminiert. Das geschah insbesondere durch den engagierten Einsatz des damaligen Regierungspräsidenten und heutigen Oberbürgermeisters Jürgen Roters. Im Zuge dessen findet im Kölner Friedenspark seit 2005 jährlich das Edelweißpiratenfestival statt.
Im April 2011, ein halbes Jahr vor Jeans Jülichs Tod, erhielten er und vier weitere noch lebende Edelweißpiraten das Bundesverdienstkreuz, wiederum aus den Händen von Jürgen Roters. Bis dahin war es ein langer Weg gewesen. In der Öffentlichkeit wurden die Gruppenangehörigen noch bis in die Achtziger Jahre als Kraaten angesehen, als Dreck und Pöbel, worüber der Schang sogar ein Lied schrieb. Dann endlich setzte ein Umdenken ein, und Jean Jülich und einige weitere Mitglieder der Kölner Edelweiß-Gruppe wurden 1984 in der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem als Gerechte unter den Völkern geehrt.
Eine weitere Ehrung wurde dem Schang gestern in der Kölner Südstadt zuteil. Da, wo er seit Jahrzehnten gelebt hatte, nämlich in dem Wohnviertel, das auf dem Gelände der ehemaligen Stollwerck-Schokoladenfabrik steht, wurde auf Initiative des SPD-Ortsvereins ein ruhiger baumgesäumter Weg nach ihm benannt. Durch den war er viele Jahre lang täglich spaziert, mitten durch den Stollwerckshof, um seine Runde zu machen. Von zu Hause zur Severinstorburg, die er in seiner Eigenschaft als Gastronom gepachtet hatte, zu ein paar Kölsch und wieder zurück nach Hause.
Die Straßentaufe erfolgte im Beisein seiner Familie, von Freunden, Weggefährten, Politikern und Musikern, die einige von Schangs Liedern spielten. Rolli Brings verlor ein paar Worte über seinen Freund, sang und zupfte die Gitarre. Die singenden Hollunder und De Familich erinnerten ebenfalls auf musikalische Weise an Jean Jülich. Bei dem besonders zu Herzen gehenden Du Paradies am Rhing Colonia mußte ich ein Kölsch kippen, um den Kloß in der Kehle loszuwerden.
Zuvor hatte Innenstadt-Bezirksbürgermeister Andreas Hupke eine gleichermaßen besinnliche wie augenzwinkernde Rede gehalten, die mir gefiel und bestimmt auch dem Geehrten gefallen hätte. Auch der Laudator hatte einen dicken Kloß im Hals und war sichtlich nervös, was er nicht verleugnete. Auf diese Weise lernte ich also auch mal den für meine Gegend zuständigen Bezirksbürgermeister persönlich kennen, mit dem ich mich später noch eine Weile unterhielt und der mir spontan das "Du" anbot.
Als die Kölner Fahne von dem Mast gezogen und das neue Straßenschild "Jean-Jülich-Weg", auch stellvertretend für seine Mit-Edelweißpiraten, sichtbar wurde, brandete der Applaus der zahlreichen Augenzeugen auf. Irgendwer meinte: "Jetzt sitzt der Schang da oben, beobachtet uns und lacht sich über die Jecken kaputt." Eine nette Vorstellung.
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