Heinz Rudolf Kunze ist wieder unterwegs, mit neuem Album und neuem Programm. Ein Abend mit Brille also, wie er selbst das vor vielen Jahren so schön selbstironisch ausdrückte. Diesmal trägt die Tour den Titel "Stein vom Herzen". Aber was heißt schon mit neuem Programm? Man weiß ja, was kommt, auch wenn die Lieder von einer Tour zur nächsten wechseln. So auch jetzt im Gloria-Theater, Kunzes lieb gewonnener Anlaufstelle, wenn er in Köln gastiert.
Auf seine reiferen Tage - er ist mittlerweile 57 und ein wenig behäbig geworden - behält er das bei, was ihn bekannt gemacht hat und was er seit Dekaden mit sich herumträgt. Eine Mischung aus treibender Rockmusik, Balladen und Textvorträgen. Musikalisch ist und bleibt Kunze dabei eine Mensch gewordene Gratwanderung. In einem Moment kann er abrocken, im nächsten in Gefühlsduselei abdriften, die zuweilen arg an der Grenze zum Kitsch entlang schrammt und schrammelt. So ist es mir bei diesem Konzert zweimal vorgekommen, und ich war in diesen kurzen Phasen froh, ein Bier in der Hand zu haben. Doch Kunze wäre nicht Kunze, würde er nicht prompt wieder die Kurve kriegen und aufs Tempo drücken. Beispielsweise mit Finden Sie Mabel oder Alles was sie will. Er kann, und das ist auch gut so, vom Rock'n'Roll halt nicht lassen.
Textlich ist er ohnehin eine Klasse für sich. In früheren Zeiten zuweilen als Oberlehrer betitelt, ist der Ausruck Literat sicher treffender. Liedermacher würde ich ihn nennen, Poet. Einfach den klugen Kopf in der deutschen Rockmusikszene, der eine unglückliche Liebe und verletzte Gefühle ebenso gut in Worte kleiden kann wie scharfzüngige Kritik oder ätzenden Zynismus. Kitsch aber zuweilen auch, wie bereits erwähnt. Da sehe ich in Kunzes Fall aber gerne drüber hinweg. Denn es gibt nur wenige Lieder aus seiner Feder, aus denen ich nicht den einen oder anderen Vers zitierenswert finde. Der Mann ist Schriftsteller und Hochschuldozent, das merkt man, auch, weil er es gelegentlich raushängen läßt. Keiner hat so sehr Auge und Ohr für den Muff spießbürgerlicher deutscher Befindlichkeiten wie dieser mustergültig spießbürgerlich aussehende Typ, der in einem Flüchtlingslager geboren wurde und dessen Vater bei der Waffen-SS war. Und ganz ehrlich, selbst in seinen schwächsten Stücken steckt mehr Intellekt und Aussagekraft als im Gesamtwerk sämtlicher Helene Fischers und ähnlicher Konsorten dieser Republik.
Etwas linkisch wirkt er immer noch, besonders in seinem fortgeschrittenen Alter, wenn er die Rockerattitüde auspackt und die Arme in die Luft wirft. Ein bißchen augenzwinkernd ist das schon, denke ich, und das Lachen eines Schelmen hat er behalten. Daß HRK Spaß an seiner Musik und seinem Publikum hat, merkt man - und an sich selbst auch, das ist nicht zu übersehen. Selbstverständlich gibt es Dein ist mein ganzes Herz, und bei einem anderen Stück hört er dann sogar aufs Auditorium. Dreimal geht er mit seiner Band von der Bühne und kommt zu Zugaben wieder rein. Dabei ist es seit Jahren lieb gewordener Brauch des Publikums, Wenn du nicht wiederkommst anzustimmen, einen seiner Klassiker.
Aber er kommt halt wieder raus, nur hat er das Stück zuletzt nicht mehr gespielt. Diesmal bringt er es dann doch noch, und alle im Gloria-Theater sind zufrieden. Am Ende hat er insgesamt 25 Lieder gespielt und sich den frenetischen Beifall und das rhythmische Klatschen seiner Zuhörerschaft redlich verdient. Und wenn er das nächste Mal auf Tour geht, werde ich wieder mit größtem Vergnügen hingehen und gern über den einen oder anderen klitzekleinen Schlagerausrutscher hinwegsehen. Denn der Rest macht es mehr als wett.
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