Aller Unlogik zum Trotz
Mein alter und überaus geschätzter Ren Dhark-Kollege Uwe Helmut Grave hat Der Sohn des Dschungels gelesen, Band 1 meiner TIBOR-Adaptionen. Doch Uwe hat den Roman nicht nur gelesen, sondern sich auch in seiner typischen UHG-Art dazu geäußert. Was mich natürlich freut. Hier der Wortlaut seiner Besprechung:
Es hat
durchaus seine Vorteile, keiner geregelten Arbeit mehr nachzugehen, dann kann
man nämlich sehr viel lesen. Das letzte Werk, das ich mir in bequemer Bett-Pose
in einem einzigen Rutsch (mit kulinarischen Unterbrechungen) zu Gemüte geführt
habe, heißt „Tibor – Der Sohn des Dschungels“.
Tibor? Da war doch was? Habe ich den nicht schon als Kind oder Jugendlicher gelesen, im vorigen Jahrtausend? Stimmt – aber nicht in Buchform, sondern als Comic, ersonnen von Hansrudi Wäscher. Die Idee, die einstigen Sprechblasen-Bildgeschichten in reine Prosa umzuwandeln, hatte der Verleger Peter Hopf, und er engagierte dafür keinen Geringeren als den bekannten Kölner Autor („Ren Dhark“ u.a.) Achim Mehnert.
Zugegeben,
ich schlug das Buch mit einer gewissen Skepsis auf. Achim ist mir persönlich
bekannt, ich kenne seine Schreibleistungen – und trotzdem: Ich befürchtete,
dass der durchgängige Text meine spärlichen Erinnerungen an die
Comicheftchen-Reihe endgültig zum Versiegen bringen würde.
Das
Gegenteil war der Fall. Kaum hatte ich mit dem Lesen begonnen, war ich auch
schon mittendrin im faszinierenden Reich nostalgischer Schwärmereien. Während
der Millionär Gary Swanson nach einem Flugzeugabsturz sein Gedächtnis verlor,
brachte das Buch mein eigenes Gedächtnis erst so richtig in Schwung. Ganz tief
tauchte ich – heute „ein Greis“ von 60 Jahren – in meine Jugenderinnerungen
ein. Es war jene Zeit, in der ich noch unbelastet Astrid Lindgrens „Rasmus und
der Landstreicher“ las und anschließend von einem freien Vagabunden-Dasein im
Sonnenschein träumte, ohne dass mir das Wissen über reale
Obdachlosen-Schicksale den Genuss daran verdarb. Und mit der gleichen Naivität
erträumte ich mir auch ein Leben im Dschungel oder zumindest irgendwo in einer
Hütte, wie „Grizzly Adams – der Mann in den Bergen“, umgeben von Tieren, die
alle lieb und gut zu mir sind, weil auch ich lieb und gut zu ihnen bin. (Heute
noch krümme ich keinem Tier ein Fellhärchen. Nur Mücken kille ich gnadenlos!)
Darüber,
dass eine sprachliche Verständigung von grundverschiedenen, angeblich mit einem
Intellekt ausgestatteten Tieren untereinander völlig unmöglich ist, schon gar
nicht in einer Einheitssprache, die auch ein Mensch problemlos erlernen kann
(selbst „Doktor Dolittle“ musste 499 unterschiedliche Tiersprachen studieren),
zerbrach ich mir damals nicht den Kopf. Ich wollte einfach meinen Comiclesespaß
haben, fernab jedweder Logik. Heute sieht das leider etwas anders aus,
Nostalgie hin, Nostalgie her. Beim Lesen meldet sich immer wieder der Logiker
in mir und beginnt, mit dem Nostalgiker zu diskutieren.
„Wenn
sich Tibor mit allen Tieren verständigen kann, warum redet er dann nicht auch
mit dem elefantenverspeisenden Saurier?“ – „Weil Saurier doof sind und nicht
sprechen können.“ – „Du hast wohl noch nie In einem Land vor unserer Zeit
gesehen, wie?“ – „Das ist doch Kinderkram!“ – „Ach? Und Tibor ist was für
Erwachsene?“ – „Nicht nur das. Tibor ist sogar brandaktuell. Thema Ausgrenzung:
Bulgo und seine fiese Affenbande dulden keine Fremden in ihrer Mitte. Thema Homosexualität:
Statt seine Verlobte zurückzuerobern, bleibt der Held lieber bei seinem Gorilla
– die Illustration auf Seite 132 lässt keinen Zweifel daran, dass es wahre
Liebe nur unter echten Dschungelkerlen gibt.“ – „Sag mal, ist das dein Ernst?“
– „Nein, und jetzt verzieh dich und nimm deine dröge Logik gleich mit!“
Am
Schreibstil ist vor allem der typische Mehnert-Kniff hervorzuheben: Kaum wird
es spannend, bricht er ab und beginnt, die Handlung ein paar Augenblicke zuvor
erneut aufzurollen, diesmal aus einer anderen Sicht. So macht das Lesen (und
sicherlich auch das Schreiben) erst richtig Spaß.
Und
dem Verleger kann man gar nicht genug dafür danken, dass der Band einen
Abschluss hat, obwohl es sich ja eigentlich um eine Serie handelt. „Fortsetzung
folgt“ steht zwar auch hier am Schluss, doch man ist als Leser froh, auf der
letzten Seite des Buches zu wissen, wie das auf der ersten Seite begonnene
Abenteuer endet. So läuft man wenigstens nicht Gefahr, den Handlungsstrang bis
zum Erscheinen des nächsten Bandes bereits vergessen zu haben; stattdessen kann
man sich frischen Mutes ins nächste Dschungelerlebnis stürzen – aller Unlogik
zum Trotz.
Uwe
Helmut Grave
U.H.G.
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