Donnerstag, 13. August 2015

Aller Unlogik zum Trotz

Mein alter und überaus geschätzter Ren Dhark-Kollege Uwe Helmut Grave hat Der Sohn des Dschungels gelesen, Band 1 meiner TIBOR-Adaptionen. Doch Uwe hat den Roman nicht nur gelesen, sondern sich auch in seiner typischen UHG-Art dazu geäußert. Was mich natürlich freut. Hier der Wortlaut seiner Besprechung:
Es hat durchaus seine Vorteile, keiner geregelten Arbeit mehr nachzugehen, dann kann man nämlich sehr viel lesen. Das letzte Werk, das ich mir in bequemer Bett-Pose in einem einzigen Rutsch (mit kulinarischen Unterbrechungen) zu Gemüte geführt habe, heißt „Tibor – Der Sohn des Dschungels“. 
Tibor? Da war doch was? Habe ich den nicht schon als Kind oder Jugendlicher gelesen, im vorigen Jahrtausend? Stimmt – aber nicht in Buchform, sondern als Comic, ersonnen von Hansrudi Wäscher. Die Idee, die einstigen Sprechblasen-Bildgeschichten in reine Prosa umzuwandeln, hatte der Verleger Peter Hopf, und er engagierte dafür keinen Geringeren als den bekannten Kölner Autor („Ren Dhark“ u.a.) Achim Mehnert.
Zugegeben, ich schlug das Buch mit einer gewissen Skepsis auf. Achim ist mir persönlich bekannt, ich kenne seine Schreibleistungen – und trotzdem: Ich befürchtete, dass der durchgängige Text meine spärlichen Erinnerungen an die Comicheftchen-Reihe endgültig zum Versiegen bringen würde.
Das Gegenteil war der Fall. Kaum hatte ich mit dem Lesen begonnen, war ich auch schon mittendrin im faszinierenden Reich nostalgischer Schwärmereien. Während der Millionär Gary Swanson nach einem Flugzeugabsturz sein Gedächtnis verlor, brachte das Buch mein eigenes Gedächtnis erst so richtig in Schwung. Ganz tief tauchte ich – heute „ein Greis“ von 60 Jahren – in meine Jugenderinnerungen ein. Es war jene Zeit, in der ich noch unbelastet Astrid Lindgrens „Rasmus und der Landstreicher“ las und anschließend von einem freien Vagabunden-Dasein im Sonnenschein träumte, ohne dass mir das Wissen über reale Obdachlosen-Schicksale den Genuss daran verdarb. Und mit der gleichen Naivität erträumte ich mir auch ein Leben im Dschungel oder zumindest irgendwo in einer Hütte, wie „Grizzly Adams – der Mann in den Bergen“, umgeben von Tieren, die alle lieb und gut zu mir sind, weil auch ich lieb und gut zu ihnen bin. (Heute noch krümme ich keinem Tier ein Fellhärchen. Nur Mücken kille ich gnadenlos!)

Darüber, dass eine sprachliche Verständigung von grundverschiedenen, angeblich mit einem Intellekt ausgestatteten Tieren untereinander völlig unmöglich ist, schon gar nicht in einer Einheitssprache, die auch ein Mensch problemlos erlernen kann (selbst „Doktor Dolittle“ musste 499 unterschiedliche Tiersprachen studieren), zerbrach ich mir damals nicht den Kopf. Ich wollte einfach meinen Comiclesespaß haben, fernab jedweder Logik. Heute sieht das leider etwas anders aus, Nostalgie hin, Nostalgie her. Beim Lesen meldet sich immer wieder der Logiker in mir und beginnt, mit dem Nostalgiker zu diskutieren.

„Wenn sich Tibor mit allen Tieren verständigen kann, warum redet er dann nicht auch mit dem elefantenverspeisenden Saurier?“ – „Weil Saurier doof sind und nicht sprechen können.“ – „Du hast wohl noch nie In einem Land vor unserer Zeit gesehen, wie?“ – „Das ist doch Kinderkram!“ – „Ach? Und Tibor ist was für Erwachsene?“ – „Nicht nur das. Tibor ist sogar brandaktuell. Thema Ausgrenzung: Bulgo und seine fiese Affenbande dulden keine Fremden in ihrer Mitte. Thema Homosexualität: Statt seine Verlobte zurückzuerobern, bleibt der Held lieber bei seinem Gorilla – die Illustration auf Seite 132 lässt keinen Zweifel daran, dass es wahre Liebe nur unter echten Dschungelkerlen gibt.“ – „Sag mal, ist das dein Ernst?“ – „Nein, und jetzt verzieh dich und nimm deine dröge Logik gleich mit!“

Am Schreibstil ist vor allem der typische Mehnert-Kniff hervorzuheben: Kaum wird es spannend, bricht er ab und beginnt, die Handlung ein paar Augenblicke zuvor erneut aufzurollen, diesmal aus einer anderen Sicht. So macht das Lesen (und sicherlich auch das Schreiben) erst richtig Spaß.

Und dem Verleger kann man gar nicht genug dafür danken, dass der Band einen Abschluss hat, obwohl es sich ja eigentlich um eine Serie handelt. „Fortsetzung folgt“ steht zwar auch hier am Schluss, doch man ist als Leser froh, auf der letzten Seite des Buches zu wissen, wie das auf der ersten Seite begonnene Abenteuer endet. So läuft man wenigstens nicht Gefahr, den Handlungsstrang bis zum Erscheinen des nächsten Bandes bereits vergessen zu haben; stattdessen kann man sich frischen Mutes ins nächste Dschungelerlebnis stürzen – aller Unlogik zum Trotz. 
Uwe Helmut Grave
U.H.G.

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