Dienstag, 5. Mai 2015

Ein Roman von 2006?

Ich hatte mal wieder ein Erlebnis aus der Kategorie "Seltsam, aber so steht es geschrieben". Ein milder Frühlingsabend, trotz strömenden Dauerregens. Drinnen lief Fußball, doch wir setzten uns vor die Alte Griechenschänke. Im Regenschutz der Markise wurde gewürfelt und irgendwie reihum verloren. Das ist fair, so zahlt jeder mal eine Runde.

Irgendwann kam ein Passant des Weges, hielt inne und nahm am Tisch hinter uns Platz. Nach ein paar Minuten sprach der Mann, etwa in meinem Alter, mich an und fragte, ob denn mein Roman fertig geworden sei. Ich überlegte kurz, konnte ihn aber nicht einordnen. Von welchem Roman er sprach, wusste ich ebenfalls nicht. Also fragte ich ihn.

"Der Roman von 2006", antwortete er und deutete auf die andere Straßenseite. Dort liegt das Brauhaus Reissdorf. "Da drüben haben wir uns damals unterhalten." Er fügte paar zusammenhanglose Sätze an, die mir ein wenig suspekt waren. An ihn und an besagten Roman, über den wir angeblich gesprochen haben sollen, erinnerte ich mich immer noch nicht. Wie denn auch, nach neun Jahren? Ich erklärte, dass ich beim besten Willen nicht wisse, welches Werk er meine, weil ich in den folgenden Jahren diverse Dutzend weitere Romane geschrieben habe.

Das nun schien ihm ziemlich suspekt. Ich konnte erkennen, wie es in seinem Kopf arbeitete. Offenbar ging er davon aus, dass ich die meiste Zeit seit 2006 an diesem einen Roman gearbeitet hatte. Doch gleich Dutzende weitere Romane? Ja, ist klar! Er sah mich an, als habe ich den Verstand verloren oder leide an Größenwahn. Kurz setzte er zu einer Entgegnung an, doch dann erhob er sich und ging wortlos durch den strömenden Regen davon. Meine Würfelbrüder grinsten sich eins, während ich ein wenig ratlos zurückblieb. Welchen Roman der mir Unbekannte gemeint hatte, hätte mich nun doch interessiert.

2 Kommentare:

  1. Das ist mal wirklich eine lustige Anekdote. Fast selbst einen Roman wert. ;-)

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  2. Äußerst geheimnisvoll. Ein derart seltsames Erlebnis hatte ich noch nie. Ähnlich ist allerdings dies: Jemand las mal einen uralten Heftroman von mir (der dritte Nachdruck des fünften Nachdrucks oder so) und wollte sich mit mir allen Ernstes darüber unterhalten. Ich hatte nach all den Jahrtausenden aber keine Ahnung mehr, was darin stand und sagte ihm das auch offen und ehrlich. Daraufhin entschwand er beleidigt, weil er glaubte, ich arroganter Fatzke habe lediglich keine Lust, mich dazu zu äußern. Ich hoffe für Dich, Achim, dass Dein geheimnisvoller Unbekannter nicht ebenfalls gekränkt ist und demnächst hinterhältige Anschläge auf Dich verübt. Uwe Helmut Grave

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